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Marina Silva (links) ist vor allem in den ärmeren Bevölkerungsschichten Brasiliens sehr beliebt. Foto: Reuters / Paulo Whitaker

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Die ehemalige Umweltministerin Marina Silva hat schon einmal die etablierte brasilianische Parteienlandschaft durcheinandergewirbelt. Bei der Präsidentschaftswahl errang sie 2010 als Kandidatin der Grünen auf Anhieb 19 Prozent der Stimmen und zwang damit die Favoritin Dilma Rousseff in den zweiten Wahlgang. Ein ähnliches Szenario könnte es auch am 5. Oktober geben. Mit der Kandidatur der 56-jährigen Ökoaktivistin startet der brasilianische Wahlkampf wenige Wochen vor der Abstimmung wieder bei null.

In Umfragen auf Platz zwei

Die Führung der sozialistischen Partei PSB machte einstimmig den Weg für Silva frei, die bisher eigentlich für die Vizepräsidentschaft kandidiert hatte. Sie tritt für Eduardo Campos an, der Mitte August bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen ist.

Die Entscheidung der Sozialisten sorgt vor allem bei der regierenden Arbeiterpartei für Kopfzerbrechen. Erste Umfragen des Institutes Datafolha sehen Silva mit knapp 21 Prozent auf Platz zwei vor dem konservativen Herausforderer Áecio Neves von der PSDB.

Amtsinhaberin Rousseff führt zwar mit 36 Prozent, würde sich aber im zweiten Wahlgang ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Silva liefern. Größter Unsicherheitsfaktor ist die hohe Zahl von unentschlossenen Wählern. In Brasilien herrscht Wahlpflicht.

Die hohen Umfragewerte zeugen in erster Linie von Respekt für den Lebensweg von Silva, die im Amazonas-Gebiet mit zehn Geschwistern in ärmlichen Verhältnissen aufwuchs. Bereits mit zwölf Jahren arbeitete sie als Kautschuk-Zapferin. An der Uni trat sie einer kommunistischen Untergrundgruppe bei und kämpfe gegen die Militärdiktatur.

Großer Kampfeswille

Auch in der Politik blieb Marina Silva ihren Überzeugungen treu. Sie gilt als prinzipienstark, unbestechlich und ist mit großem Kampfeswillen ausgestattet. Von 2003 bis 2008 war sie Umweltministerin in der Regierung unter Luiz Inácio Lula da Silva. Immer wieder machte sie sich gegen die Abholzung des Amazonas-Regenwaldes stark, fand in Präsident Lula aber keinen Verbündeten.

Aus Protest legte sie im Mai 2008 ihr Ministeramt nieder. Eine ihrer stärksten Gegenspielerinnen damals: die Präsidialamtsministerin und Lula-Vertraute Rousseff.

"Ich will die erste schwarze Präsidentin aus armen Verhältnissen sein", hatte Silva als Ziel ausgegeben. Ihre Unterstützer finden sich in der ärmeren Bevölkerung sowie unter Intellektuellen und den Mitgliedern der zahlreichen sozialen Bewegungen, die im vergangenen Jahr zu Hunderttausenden gegen Korruption auf die Straße gingen.

Keine eindeutige Position zu Abtreibung

Außerdem gilt Silva als Aushängeschild für die evangelikale Bewegung. 2004 konvertierte sie zur Assembleia de Deus, einer der einflussreichsten Pfingstkirchen mit Millionen Anhängern. Inzwischen sind rund 20 Prozent der Brasilianer Anhänger der evangelikalen Kirche - die auch gesellschaftlich immer mehr an Einfluss gewinnt. Unter ihnen finden sich viele radikale Abtreibungsgegner und Gegner der Ehe von Homosexuellen. Silva vermeidet aber eine eindeutige Positionierung und will über eine Aufhebung des Abtreibungsverbotes per Volksentscheid abstimmen lassen. (Susann Kreutzmann aus São Paulo, DER STANDARD, 26.8.2014)