Für die ÖVP-Granden kann der Rücktritt von Michael Spindelegger aus allen Ämtern nicht überraschend gekommen sein, sie haben seit Jänner beharrlich an seinem Stuhl gesägt und den schwarzen Parteichef desavouiert, wo es nur ging. Dennoch stehen sie nun ratlos da: Wer soll Spindelegger nachfolgen, als Vizekanzler, als Finanzminister und als Parteichef? Die Nachfolgefrage ist ungeklärt, selbst Vertraute Spindeleggers wie der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll, der sich als einer der wenigen mit Kritik zurückgehalten hatte, erfuhr von Spindeleggers Absicht erst am Dienstag in der Früh, Stunden vor der Presseerklärung.

Und jetzt? Sebastian Kurz, von dem alle immer gesagt haben, es sei noch zu früh? Andrä Rupprechter, der unkonventionelle Tiroler im Umweltministerium, dem keiner in der Partei traut? Reinhold Mitterlehner, der ewige Ersatzmann im Wirtschaftsministerium, der in der Partei nicht sonderlich beliebt ist? Vieles spricht für Kurz. Aber letztendlich ist Mitterlehner der erfahrene Mann, der auf der Stelle übernehmen kann. Dass sich im Ministerrat die ÖVP-Regierungsmitglieder hinter ihn geschart haben, war ein deutliches Signal. Und Mitterlehner kann bei der nächsten Wahl immer noch Platz für einen anderen Spitzenkandidaten machen.

Schuld an Spindeleggers Rücktritt ist aber auch die SPÖ, und dort ganz bestimmt Kanzler Werner Faymann. Er hat sich als Regierungspartner wenig loyal gezeigt, hat den Vizekanzler die Finanzkrise und das Hypo-Desaster allein ausbaden lassen, hat Spindelegger mit einer Steuerreform, die kaum darstellbar ist, allein im Regen stehen lassen und hat zuletzt den Druck beharrlich erhöht.

Eine Steuerreform, das zentrale Projekt der Koalition für diese Legislaturperiode, ist mit den unterschiedlichen Positionen von SPÖ und ÖVP de facto kaum machbar. In Sachen Vermögenssteuern und Sparkurs kommen die beiden Parteien kaum zusammen. Das hat auch Spindelegger erkannt. Entweder er gibt nach, wirft all seine Positionen über Bord und verliert jede Glaubwürdigkeit, oder er steuert auf einen Konflikt mit Faymann zu, den die Koalition nicht überlebt.

Wer immer auch Spindelegger nachfolgt: Die ÖVP wird sich rasch in Sachen Steuerreform deklarieren müssen. Fährt sie Spindeleggers Kurs weiter, dann wird die Koalition platzen. Faymann scheint nicht bereit zu sein, von seinen Plänen abzugehen. Oder die ÖVP zeigt sich bereit, sich den Vorstellungen der SPÖ unterzuordnen, dann kann man noch eine Zeit das Beiwagerl der Roten spielen, geht aber offenen Auges in ein Wahldesaster.

Neuwahlen scheinen zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich. Wer einen Blick auf die Umfragewerte wirft und sich die Performance der Regierung in den letzten Monaten bewusstmacht, weiß, was das heißt: Dann kommt Strache. (Michael Völker, derStandard.at, 26.8.2014)