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Frankreichs neuer Wirtschaftsminister: Emmanuel Macron, ein bisheriger Hollande-Berater mit sozialliberalen Überzeugungen.

Foto: AP Photo/Alain Jocard

Scheiden tut weh, auch unter Parteigenossen. "Du wirst wie Hollande untergehen", prophezeite Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg laut Insidern dem französischen Premierminister Manuel Valls, als dieser ihm den Rauswurf aus der Regierung ankündigte.

Der bittere Wortwechsel zwischen zwei bisher engen sozialistischen Parteifreunden beschloss fürs Erste den Richtungsstreit um die französische Wirtschafts- und Sparpolitik. Montebourg bezog sich auf eine Meinungsumfrage von Sonntag, in der Staatschef François Hollande klägliche 17 Prozent erhielt und Premier Valls gar um neun Prozentpunkte auf 36 Prozent absackte.

Fürs Erste ist allerdings Montebourg der Verlierer. Das Enfant terrible des Parti Socialiste (PS) verlässt nicht nur das Wirtschaftsministerium, sondern gleich auch Paris: Mangels eines nationalen Parlamentssitzes verbleibt ihm nur seine Provinzbastion im Burgund. Die Medien amüsieren sich über den Abgang von "Don Quichotte" und seinem "Sancho Panza", Bildungsminister Benoît Hamon. Wie dieser hatte auch Kulturministerin Aurélie Filippetti den Hut genommen, noch bevor ihr Valls die Tür weisen konnte.

Konsolidierung

Die drei Abgänge des linken Parteiflügels erlauben es dem "Realo" Valls, sein Kabinett zu konsolidieren. Neuer Wirtschaftsminister wird Emmanuel Macron, ein bisheriger Hollande-Berater mit sozialliberalen Überzeugungen. Finanzminister bleibt Michel Sapin, der nicht als großer Reformer, aber als solider Vertrauter Hollandes gilt.

Ebenso Laurent Fabius und Jean-Yves Le Drian: Die bisherigen Außen- und Verteidigungsminister sollen weiter die internationale Politik Frankreichs organisieren. Die Ex-Präsidentschaftskandidatin und frühere Hollande-Partnerin Ségolène Royal soll vom Umwelt- ins Bildungsressort wechseln

Eher überraschend bleibt die kratzbürstige Justizministerin Christiane Taubira im Amt. Valls sendet damit ein versöhnliches Zeichen an die Parteilinke. Umgekehrt gelang es ihm nicht, die Grünen in die Regierung zurückzuholen. Die in Frankreich traditionell stark politisierten "Verts" hatten im April wegen der ersten Nominierung Valls' zum Premierminister alle Regierungsämter aufgegeben.

Valls' neue Regierung ist damit bedeutend homogener – aber politisch noch fragiler: Der linke Parteiflügel der Sozialisten droht bei wichtigen Abstimmungen die Gefolgschaft zu verweigern. Dabei hat der PS in der 577-köpfigen Nationalversammlung nur 291 Abgeordnete, das heißt eine knappe Mehrheit von zwei Sitzen.

Kein Regierungssturz geplant

Der Politologe Jérôme Jaffré glaubt allerdings nicht, dass die Linkssozialisten einen Regierungssturz auslösen werden. "Ihr Ziel ist es nicht, an die Urnen zu gehen oder aus der Partei ausgeschlossen zu werden. Sie wollen vielmehr den nächsten Parteikongress gewinnen und die Leitung der Partei übernehmen."

Das Führungstandem Hollande/Valls wird sich jedenfalls von Abstimmung zu Abstimmung hangeln müssen. Über ihnen hängt zudem das Damoklesschwert des rechtsextremen Front National. Die auftrumpfende Partei von Marine Le Pen verfolgt eine ähnlich eurokritische Politik wie die linkssozialistischen "frondeurs" (Aufständischen).

Anders als Jaffré schließt der Verfassungsrechtler Dominique Rousseau nicht aus, dass der Präsident die Parlamentsmehrheit verlieren könnte und Neuwahlen ausschreiben müsste. "Die Krise ist nicht zu Ende", so Rousseau, "sie beginnt erst." (Stefan Brändle, DER STANDARD, 26.8.2014)