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Wer ins EU-Ausland telefoniert, zahlt bis zu 99 Cent pro Minute

Foto: dapd

Eine Absurdität: Wer mit einer österreichischen Sim-Karte beispielsweise nach Bratislava fährt, um von dort aus nach München zu telefonieren, zahlt dank der EU-Roamingverordnung mittlerweile nur mehr rund 20 Cent pro Minute. Wer den Anruf nach München allerdings von seinem österreichischen Wohnort aus tätigt, berappt dafür je nach Anbieter das Drei- bis Fünffache. Der simple Grund: Anrufe ins EU-Ausland zählen nicht als "Roaming“ und werden daher von der Anfang Juli in Kraft getretenen Verordnung des EU-Parlaments nicht miterfasst.

Eine Lücke im "Zusammenwachsen"

Das verwundert, hatten doch EU-Kommission und besonders die einstige Digital-, dann Justizkommissarin Vivane Reding die Senkung der Roaming-Gebühren immer wieder mit einem "Zusammenwachsen Europas“ und Verbesserungen der Kommunikation im EU-Binnenmarkt argumentiert. Dennoch wurde mit den EU-Auslandstarifen eine große Lücke offengelassen, zu deren Schließung es zwar innerhalb der EU-Kommission Ansätze gegeben hätte – diese liegen aber mittlerweile auf Eis. Aus dem Verkehrsministerium, das auch für Telekommunikation zuständig ist, heißt es auf Anfrage des STANDARD: "Man kam zur bewussten Entscheidung, International Calls nicht zu regulieren." In einem Verordnungsentwurf für ein neues Telekom-Paket wurde der Ansatz dennoch wieder aufgegriffen.

Nur wenige Beschwerden

Für die Arbeiterkammer Wien wäre es grundsätzlich "nur logisch“, wenn auch die Telefonate ins EU-Ausland günstiger werden. "Es ist immer gut, wenn Preise sinken“, so Konsumentenschützerin Daniela Zimmer. Allerdings müsse der Gesamtmarkt im Auge behalten werden: "Es wäre nur ein oberflächlicher Gewinn, wenn im Gegenzug die Inlandstarife teurer werden.“ Dass alle Handykunden über die hohen Preise für Telefonate ins EU-Ausland informiert sind, darf jedoch bezweifelt werden. Laut der Regulierungsbehörde RTR habe es in den vergangenen Monaten jedoch nur "wenige Beschwerden“ zum Thema gegeben. Auch das Verkehrsministerium warnt, dass man "die Auswirkungen regularotischer Eingriffe auf das nationale Preisgefüge beachten muss."

RTR: Bei Auslandstarifen herrscht Wettbewerb

Die RTR verweist denn auch auf das "vielfältige Angebot“ für Kunden, die gerne ins Ausland telefonieren würden. Während beim Roaming – also Telefonie im EU-Ausland – der Kunde kaum Optionen zum Wechsel des Anbieters hatte, kann man sich hierzulande den passenden Tarif oder eine Wertkarte für Auslandstelefonie besorgen. "Der Wettbewerb ist da“, heißt es auf Anfrage des STANDARD. Allerdings: "Die Betreiber müssen ihre Kunden exakt über etwaige Kosten informieren.“

A1: "War immer so"

Die Betreiber selbst sehen in ihrer Preisgestaltung kein Problem. Dass Telefonate ins EU-Ausland teurer sind, "war immer so und ist nichts Neues“, so A1-Sprecherin Livia Dandrea-Böhm zum STANDARD. Sie verweist darauf, dass Freiminuten ins Ausland bei einigen A1-Tarifen bereits inkludiert sind. Tatsächlich gibt es beim Mittelklasse Go M (44,90 Euro/Monat) und Premiumtarif Go L (54,90 Euro/Monat) von A1 50 respektive 100 Freiminuten ins EU-Ausland, beim Tarif um 34,90 Euro sind keine Freiminuten ins EU-Ausland dabei. Sind die Freiminuten ausgeschöpft, kostet ein Anruf etwa nach Berlin 99 Cent pro Minute.

T-Mobile: "Dass Auslandstelefonie teurer ist, weiß jeder"

Bei T-Mobile verlangt man für Anrufe in die EU-Nachbarländer (und die Schweiz) 70 Cent pro Minute. Dass man sich 50 Cent pro Minute spart, wenn man vom Ausland aus in ein anderes ausländisches Land telefoniert, nennt T-Mobile Pressesprecher Helmut Spudich eine "Paradoxie, die durch den Gesetzgeber geschaffen wurde“. Denn schon durch das Roaming verliere die Industrie laut Spudich sechs Prozent Umsatz, weitere Regulierungen würden die Krise verschärfen. "Jeder weiß, dass Telefonieren ins Ausland teurer ist“, so T-Mobile weiter. So bietet der Mobilfunker etwa Zusatzpakete für die Telefonie ins Ausland an, bei "CALL International“ kostet jedes Gespräch einmalig 90 Cent, anschließend 5 Cent pro Minute. Auch Drei bietet eigene Tarife für Auslandstelefonie an: Etwa Hallo Europa, mit dem in der 19 Euro-Variante 200 Minuten, in der 30 Euro-Variante 600 Minuten nach Europa möglich sind.

Abzocke?

Ob die EU-Kommission durch weitere Verordnungen solche Tarife unnötig machen will, steht derzeit in den Sternen. Das könnte auch davon abhängen, wer neuer Telekom-Komissar wird. Denn die einstige Telekom-, dann Justizkommissarin Viviane Reding hatte das Projekt Roaming-Gebühren jahrelang forciert, hätte dafür beinahe sogar die Netzneutralität geopfert. Dass laut Spiegel also "Verbraucher nach Strich und Faden abgezockt“ werden, dürfte wohl vorerst so bleiben. (fsc, derStandard.at, 31.8.2014)