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Lange für ihre Regulierung mitverantwortlich, jetzt im Vorstand der Londoner Börse: Sharon Bowles, hier mit Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem, wird für ihren Jobwechsel kritisiert.

Foto: ap/Virginia Mayo

London/Wien - Fünf Jahre lang war sie eine der einflussreichsten EU-Parlamentarierinnen überhaupt. Ob Finanztransaktionssteuer, Nahrungsmittelspekulation, Derivatehandel oder die Begrenzung von Bankerboni: Als Vorsitzende des Wirtschafts- und Währungsausschusses des Europäischen Parlaments (EP) war Sharon Bowles maßgeblich an allen Verhandlungen hinsichtlich der wichtigsten Finanzmarktthemen der jüngeren Vergangenheit beteiligt.

Jetzt will die 61-jährige Liberale ihr Know-how an die führende Börse Europas bringen. Nur eineinhalb Monate nach dem Ausscheiden aus ihrem Amt wechselt die Britin in den Vorstand der London Stock Exchange. Doch der Karriereschritt geht nicht ohne kritische Begleitmusik vonstatten. Der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold, selbst Mitglied im Wirtschaftsausschuss, wirft der fachlich unumstrittenen Finanzmarktexpertin vor, ihren guten Ruf zu verkaufen und damit dem Ansehen der EU zu schaden. "Bowles verwandelt Wissen, das sie im öffentlichen Auftrag erworben hat, in ihr eigenes Einkommen", so Giegold. Besonders brisant sei der Wechsel, weil Bowles an der Ausarbeitung der umstrittenen EU-Finanzmarktrichtlinie beteiligt war. Für die Londoner Börse soll sie nun den Kontakt zu genau jenen Aufsichtsbehörden herstellen, die in den kommenden Monaten für die Ausgestaltung der entsprechenden Gesetzgebungsdetails zuständig sind.

Für den Grünen ein Paradebeispiel des sogenannten Drehtüreffekts, der den nathlosen Wechsel von Spitzenpolitikern in jene Branche beschreibt, für deren Regulierung sie in ihrem Amt zuständig waren. Giegold fordert die Einführung verbindlicher Sperrfristen, eine Position, die auf Anfrage des Standard auch bei Abgeordneten anderer Fraktionen Anklang findet.

So plädiert SPÖ-Parlamentarierin Evelyn Regner ebenfalls für eine Abkühlphase. Bowles' Schritt sei "nicht in Ordnung", ihr Fall ein guter Anlass, um das Thema Unvereinbarkeitsregeln neu zu debattieren. Auch für EP-Vizepräsident Othmar Karas (ÖVP) hat der Wechsel eine schiefe Optik. Hochrangige Posten wie jener einer Ausschussvorsitzenden verlangten, wenn auch nicht nach einem Berufsverbot, so doch nach einer speziellen Regelung. Er kündigt einen Vorstoß in Richtung einer Meldepflicht für ausscheidende Abgeordnete an, analog zu einer bereits bestehenden für Mitglieder der Europäischen Kommission. Diese müssen berufliche Tätigkeiten in den ersten 18 Monaten nach ihrem Rückzug vorab anmelden. (Simon Moser, DER STANDARD, 28.8.2014)