Ankara/Sofia - Boykottiert von der größten Oppositionspartei hat der neue türkische Staatspräsident Tayyip Erdogan am Donnerstag seinen Amtseid im Parlament in Ankara abgelegt. Die Sozialdemokraten der Republikanischen Volkspartei (CHP) blieben der Angelobung fern, um gegen den rechtlich strittigen Übergang zu protestieren: Erdogan war am 10. August zum Präsidenten gewählt worden, blieb aber weiter als Regierungschef im Amt und verzögerte offensichtlich die Bekanntgabe des Wahlergebnisses im Amtsblatt bis zum Donnerstag.
Babacan und Simsek weiter im Amt
Laut Verfassung muss ein gewählter Präsident Parteimitgliedschaft und Parlamentsmandat aufgeben. Erdogan wollte Donnerstagabend, nach der Angelobung, den bisherigen Außenminister Ahmet Davutoglu ins Premiersamt bestellen und ihm die Regierungsgeschäfte übergeben. Davutoglu, der Erdogan am Mittwoch bereits als Vorsitzender der konservativ-islamischen Regierungspartei AKP nachgefolgt war, soll heute, Freitag, sein neues Kabinett vorstellen.
Als sicher galt, dass Finanzminister Mehmet Simsek und der Vizepremier und Staatsminister für die Wirtschaft, Ali Babacan, ihre Ämter weiterführen. Babacan lieferte sich zuletzt einen immer offener geführten Schlagabtausch mit Erdogans Wirtschaftsberater, dem Kolumnisten und früheren TV-Moderator Yigit Bulut; der befürwortet die Aufgabe der EU-Beitrittsverhandlungen und weniger Unabhängigkeit für die türkische Zentralbank. Bulut unterlag offenbar Babacan.
Neuer Außenminister
Unsicher war dagegen, wer den 56-jährigen Davutoglu als Außenminister beerbt: der bisherige Europaminister Mevlet Cavusoglu oder Geheimdienstchef Hakan Fidan.
Zu Erdogans Angelobung kamen ein Dutzend Staatspräsidenten aus Afrika, Zentralasien und dem Balkan. Armenien schickte seinen Außenminister Eduard Nalbandian, was als positives Zeichen gewertet wurde; die Türkei hält die Grenzen zum Nachbarland seit 1993 geschlossen und hat ein 2009 geschlossenes Normalisierungsabkommen auf Eis gelegt.
Die USA ließen sich lediglich durch ihren Geschäftsträger in der Botschaft in Ankara bei der Feier vertreten. Die Beziehungen der Türkei zum wichtigsten Nato-Partner hatten sich in den vergangenen zwei Jahren wegen Erdogans autoritären Kurs und der Tolerierung von Jihadisten zunehmend verschlechtert. (Markus Bernath, DER STANDARD, 29.8.2014)