Solange ÖVP-Finanzminister nicht zurücktreten, ehe sie angelobt sind, muss man sich um die Kontinuität dessen, was seit der Wiedererweckung der rot-schwarzen Koalition bisher geschah, keine Sorgen machen. Es wird nicht wesentlich anders weitergehen wie zuletzt, zumal zwei Chancen auf größere Veränderungen, die Michael Spindeleggers Flucht aus der Verantwortung eröffnet hätten, erwartungsgemäß nicht wahrgenommen wurden. Die eine, zweifellos riskante, aber auch mutige, wären angesichts des politischen Stillstandes Neuwahlen gewesen, die andere die endliche Behebung des strukturellen Fehlers, die Funktionen des Bundeskanzlers und des Finanzministers auf zwei Parteien aufzuteilen, was nicht nur wohlbegründeten österreichischen Traditionen widerspricht, sondern zu wechselseitiger Blockade einlädt, wenn sie sie nicht garantiert.

In beiden Fällen hätten die Koalitionsparteien über Schatten springen müssen, die düsterer sind als ihr Bild in der Bevölkerung. Und dieses Bild ist mit den jüngsten Ereignissen in beiden Parteien weder besser geworden, noch bieten die trotzigen Durchhalteparolen bis 2018 Aussicht auf Verbesserung. Da keine Partei die Schlüsselposition eines Finanzministers freiwillig abgibt, auch wenn sie darin noch so unglücklich agiert, wäre die Zusammenführung der Funktionen in der stärkeren Partei nur über ein entsprechendes Ergebnis von Wahlen zu erhalten. In Panik vor solchen aneinandergekettet, werden sie lieber alles beim Alten belassen.

Allein der Zustand der selbsternannten Wirtschaftspartei ÖVP verbietet es jedem realistischen Beobachter, die Augen vor der Tatsache zu verschließen, dass diese Koalition nicht überlebensfähig ist, egal, wie lange sie sich noch weiterschleppt. Hätte die Volkspartei seit 2000 nur einen Finanzminister gestellt, dem es an Fortune fehlt, könnte man es als Pech abtun. Aber sie lieferte, meist parallel zu ihren Obleuten, einen Irrläufer nach dem anderen ins Finanzressort, wobei man es als Ironie der Zeitgeschichte empfinden mag, dass der einzige Finanzminister, dem sie selber bis zuletzt mit geradezu hysterischer Begeisterung anhing, formal nicht von ihr gestellt, wenn auch von ihr ermöglicht wurde. Aber auch Karl-Heinz Grasser hat sich nicht wirklich als Erfolg entpuppt.

Wie die ÖVP ihre Obleute ermordet, könnte der Öffentlichkeit als reine Parteiangelegenheit gleichgültig sein. Nicht egal kann es ihr sein, wenn das Finanzressort als Auswechselstube ephemerer Hoffnungsträger herhalten muss, die unter Hinterlassung größerer oder kleinerer Schäden rasch wieder in der parteiamtlich garantierten Versorgung verschwinden. Dass diesmal ein Finanzminister abtritt, ohne dass die Partei den neuen schon an der Hand hat, sondern erst mühsam nach dem Kometen Ausschau halten muss, der sie zu ihm führt, markiert einen neuen Tiefpunkt in der Legende von der Wirtschaftspartei.

Immerhin als Obmann hat man ein Opfer rasch gefunden. Es grenzte an ein Wunder, sollte sich Reinhold Mitterlehner in einer unveränderten Partei mit verbrauchten Grundwerten aus dieser Opferrolle befreien können. (Günter Traxler, DER STANDARD, 29.8.2014)