Eine Ausstellung im Naturhistorischen Museum Wien würdigt den "Leonardo der naturhistorischen Illustration" und präsentiert erstmals Zeichnungen von Ferdinand Lucas Bauer (1760–1826).

"Daher wird man beim Anblick dieser Blätter bezaubert: die Natur ist offenbar, die Kunst versteckt, die Genauigkeit groß, die Ausführung mild, die Gegenwart entschieden und befriedigend." Mit diesen vor fast 200 Jahren geschriebenen Zeilen würdigte kein geringerer als Johann Wolfgang von Goethe die große Kunst des Ferdinand Bauer. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts nannte der angesehene australische Kunsthistoriker Bernard William Smith (1916–2011) Bauer gar den "Leonardo der naturhistorischen Illustration", der hier - als erster Mensch der Welt - einen australischen Jägerliest (in der Sprache der Aborigines: Kookaburra) zu Papier gebracht hat.

Foto: NHM Wien
Seedrache oder Kleiner Fetzenfisch (Phyllopteryx taeniolatus)

Warum Bauer in Australien sehr viel bekannter ist als in seiner Heimat Österreich, liegt auch daran, dass der grandiose Pflanzen-, Tier- und Landschaftsmaler von 1801 bis 1803 an jener Expedition teilnahm, die letztlich Australien den heutigen Namen gab. (Zuvor hatte man den Südkontinent als Neuholland bezeichnet.) Und so ist es womöglich auch zu erklären, dass sogar das Google Art Project, bei dem Bauer mit einem Passionsblumen-Stillleben vertreten ist, als sein Herkunftsland Australia angibt. Statt üppiger Passionsblumen gibt es hier einen recht fetzigen Seedrachen zu sehen.

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Von Bauer im Jahr 1803 gezeichnete Koalas (Phascolarctos cinereus), die erst 1817 wissenschaftlich beschrieben wurden.

Doch auch im deutschsprachigen Raum ist Bauer, der als dritter Österreicher australischen Boden betrat, spätestens seit dem Vorjahr kein unbeschriebenes Blatt mehr: Rudi Palla, der bereits in etlichen Büchern sein großes Gespür für faszinierende kultur- und wissenschaftshistorische Themen und Geschichten unter Beweis gestellt hat, veröffentlichte im Herbst 2013 den prächtigen Bildband "Der Kapitän und der Künstler" (DuMont Buchverlag). Kenntnisreich und kurzweilig erzählt Palla darin die abenteuerliche Forschungsreise der HMS Investigation unter Kapitän Matthew Flinders, die 1801 in England begann und bei der erstmals die "Terra Australis" umrundet sowie ihre Tier- und Pflanzenwelt (inklusive Koalas, siehe oben) erforscht und dokumentiert wurde.

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Die meisten dieser Bleistiftskizzen und -zeichnungen waren – so wie diese einer nicht näher bezeichneten australischen Eidechsenart – mit zahlreichen Nummern versehen, was einen einfachen Grund hatte: Da die Herstellung farbiger Illustrationen mit Wasserfarben vor Ort sehr viel mehr Zeit und Material in Anspruch genommen hätte, Bauer aber möglichst viele Tiere und Planzen erstmals zeichnerisch erfassen wollte, arbeitete er mit einem heute unbekannten Farbschlüssel, der insgesamt rund 1000 Nummern umfasste.

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Pazifischer Rotfeuerfisch (Pterois volitans)

Zusätzlich zu den Nummern, die er höchstwahrscheinlich Farbtafeln entnahm, verwendete er mitunter auch Buchstaben und alchimistische Symbole, die vermutlich etwas über den Glanz und andere Eigenschaften der jeweiligen Farbe aussagten. Bauer gelang es jedenfalls, nach der Rückkehr nach Europa auch jene Tiere, die unter Wasser leben, naturgetreu malen - wie etwa diesen Pazifischen Rotfeuerfisch, von dem wie hier nur die Skizze mit den Farbcodes ausstellen.

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Streblorrhiza speciosa

Während sich die Farbillustrationen, die Bauer nach seiner Rückkehr malte, zum Gutteil im Natural History Museum in London befinden und dort zum Großteil auch im Netz ausgestellt und frei zugänglich sind (inklusive der Farbversionen von Koalas oder des Seedrachens), blieb der Schatz der rund 2000 Bauer’schen Zeichnungen im leider auch für Forscherinnen und Forscher eher unzugänglichen Archiv des Naturhistorischen Museums Wien (NHM) lange ungehoben und so gut wie unausgestellt. Es bedurfte jedenfalls der Initiative des australischen Botschafters David Stuart, der sehr an der Botanik seines Landes interessiert ist, dass nun das NHM Wien erstmals eine kleine Auswahl der grandiosen Zeichnungen ab sofort bis zum 28. September zeigt - so wie diese Illustration der heute ausgestorbenen pazifischen Pflanzenart Streblorrhiza speciosa.

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Dazu gibt es auch eine kleines, leider allzu hastig hergestelltes Begleitheft mit einigen der beeindruckenden Natur-Kunst-Werken (hier: Ringelschwanzbeutler von der australischen Südküste beim Schwanz-Ringeln) des Malers und Zeichners, der auch in Österreich eine große Wiederentdeckung verdienen würde. Die kleine Ausstellung im Naturhistorischen Museum und Rudi Pallas wunderbarer Bildband sind jedenfalls erste wichtige Schritte dazu. (Klaus Taschwer, derStandard.at, 31.8.2014)

Foto: NHM Wien
Ein von Ferdinand Bauer gezeichneter Teppichhai oder Wobbegong

Literatur:

Rudi Palla: Der Kapitän und der Künstler. Die Erforschung der Terra Australis. Köln 2013: DuMont Buchverlag, zahlreiche Illustrationen, 151 Seiten, Euro 32,90

Die Sonderschau mit Ferdinand Bauers Zeichnungen im Naturhistorischen Museum Wien läuft bis zum 28. September

Und hier geht es zur besten Überblicksdarstellung von Ferdinand Bauers Leben und Werk im Netz mit vielen Aquarellen und Zeichnungen sowie einer brauchbaren Bibliografie (auf Englisch)

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