"Correctiv" im Dienste der Gesellschaft: Aufdecker David Schraven.

Foto: Correctiv

STANDARD: Sie übernehmen mit Recherchen Kernaufgaben von Medien. Sind Redaktionen in Deutschland personell bereits so ausgehöhlt, dass es "Correctiv" braucht?

David Schraven: Das glaube ich nicht, und ich bin auch nicht der Meinung, dass wir die Arbeit von klassischen Medien übernehmen. Wir sehen unser Angebot als Ergänzung. Gerade in Bereichen, die diffizil sind und wo Medien viel Geld investieren müssten, um etwa Spezialwissen zu bekommen.

STANDARD: Solche Initiativen sind nicht Ausdruck der Strukturkrise?

Schraven: Natürlich gibt es weniger Geld und weniger Möglichkeiten, Experimente zu wagen. Hier sehe ich uns als Dienstleister. Wir entwickeln Dinge, die andere nutzen können. Weil wir gemeinnützig sind und keine Profitinteressen verfolgen, stehen wir mit Medien aber nicht in Konkurrenz.

STANDARD: Wird im Auftrag von Medien recherchiert oder einfach nach Themen, die interessieren?

Schraven: Wir haben verschiedene Modelle. Einerseits schauen wir selbst nach Themen und suchen im Anschluss Medienpartner für die Umsetzung. Andererseits recherchieren wir gemeinsam mit Kollegen anderer Medien.

STANDARD: Und für Medien fallen keine Kosten an?

Schraven: Nein, wir geben die Materialien, die wir produzieren, frei heraus. Als gemeinnützige Organisation finanzieren wir uns über Spenden und Zuwendungen von Stiftern.

STANDARD: An welchen Themen sind Sie derzeit dran?

Schraven: Bei einem Projekt geht es um deutsche Sparkassen und deren Struktur. Eine andere Recherche ist international ausgerichtet. Im Fokus sind Betrügerbanden, die in Europa mit gefälschten Wertpapieren handeln.

STANDARD: Themen sind zum Teil transparent. Offenheit als Credo?

Schraven: Transparenz ist uns sehr wichtig. Wir legen so viele Materialien wie möglich im Nachhinein offen, außer wenn beispielsweise Informanten im Spiel sind, die nicht genannt werden wollen.

STANDARD: Beziehen Sie auch Leser in die Recherche ein?

Schraven: Ja, abhängig vom Thema werden wir gezielt nach solchen Quellen suchen. Wir bauen gerade ein System auf, damit sich Leute anmelden und wir deren Fachwissen nutzen können.

STANDARD: Nach der Anschubfinanzierung von drei Millionen Euro soll die Plattform über ein Mitgliedersystem getragen werden. Wie viele sind schon dabei?

Schraven: Momentan halten wir bei knapp unter 100 Mitgliedern. Über Crowdfunding haben wir gerade 9000 Euro eingenommen. Wir hoffen, dass nach den ersten großen Geschichten die Zahl der Mitglieder ordentlich steigt.

STANDARD: Glauben Sie, dass es danach reichen wird?

Schraven: Unser Ziel ist es, kontinuierlich zu wachsen. Mit der Initialförderung können wir die Grundarbeit für drei Jahre bewerkstelligen. Wenn diese ausläuft, müssen wir einen Weg gefunden haben, das Portal weiter betreiben zu können.

STANDARD: Eine Mitgliedschaft kostet zwischen fünf und zehn Euro pro Monat. Was bringt es?

Schraven: Mitglieder bekommen Zugang zu nicht veröffentlichten Materialien, ein Mitgliedermagazin, und sie können sich direkt an Recherchen beteiligen.

STANDARD: Nehmen Sie Spenden von allen Unternehmen?

Schraven: Im Prinzip ja, wir machen Geldgeber transparent, um Interessenkonflikte auszuschließen. Alles über 1000 Euro wird öffentlich.

STANDARD: Konkret: Sie recherchieren zu einem Unternehmen, das möchte dann spenden. Was passiert?

Schraven: Wir würden das auf jeden Fall transparent machen und die Spende abweisen.

STANDARD: Die drei Millionen Euro Anschubfinanzierung kommen aus der WAZ, jetzt Funke-Mediengruppe. Gibt es da keinen Interessenskonflikt?

Schraven: Nein, das Geld kommt nicht direkt von der WAZ, sondern vom Stiftungsvermögen der WAZ-Gründerin Anneliese Brost. Es gibt auch keinen inhaltlichen Einfluss. (Oliver Mark, DER STANDARD, 29.8.2014, Langfassung)