STANDARD: Herr Hundstorfer, wann haben Sie das letzte Mal einen guten Wein getrunken?

Hundstorfer: Das war gestern. Nach einer Veranstaltung bin ich um neun Uhr Abend nach Hause gekommen, und es war das Bedürfnis der Familie da, noch eine Flasche Wein zu trinken. Ich muss aber zugeben, es war kein österreichischer, sondern ein italienischer Wein.

Bründlmayer: Es gibt viele Gebiete mit guten Weinen.

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STANDARD: Herr Bründlmayer, wann haben Sie das letzte Mal einen Politiker reden gehört und gedacht: Ja, da hat er recht?

Bründlmayer: Ich lese mehr Zeitung. Richtig zugehört habe ich Herrn Hundstorfer vor zwei Minuten. In der aktuellen Diskussion bin ich sehr für die Senkung der Steuern auf Arbeit.

Hundstorfer: Wir sind uns generell sehr einig, dass wir hier Entlastungen schaffen müssen. Es gibt aber Divergenzen darüber, wie man das machen soll. Natürlich brauchen wir Einsparungen, das ist keine Frage. Aber wir werden da oder dort auch andere Einnahmequellen brauchen. Da gibt es derzeit Verhandlungen, ich hoffe, dass wir im Jänner oder Februar fertig sind. Ich stehe dazu, dass wir auch versuchen sollten, vermögensbezogene Steuern zu überarbeiten und von einer gewissen Gruppe einen etwas größeren Beitrag zu verlangen. Wir reden nur von 83.000 Österreichern.

STANDARD: Wären Sie für eine Vermögenssteuer, die nur 83.000 Personen betrifft, Herr Bründlmayer?

Bründlmayer: Wir haben vor ungefähr zwei Jahren eine Vermögenszuwachssteuer eingeführt, wir haben eine Kapitalertragsteuer, wir haben die Grundsteuer und die Grundverkehrssteuer erhöht. Meiner Ansicht nach sind wir an der Schmerzgrenze. Derzeit wird ein Budget des öffentlichen Bereichs im darauffolgenden Jahr gekürzt, wenn man es nicht ausreizt. Ich würde Sparen belohnen.

Hundstorfer: Da muss ich Sie jetzt ein bisschen korrigieren. Wir können Rücklagen bilden. Wir wissen aber auch, dass die Entnahmen der Rücklagen die Staatsverschuldung steigert. Das ist ein bisschen widersprüchlich. Ich habe nichts dagegen, dass man Sparen belohnt. Ich frage mich nur, wie und wo man das effektiv tun kann. In meinem Ressort ist klar, wo ich nicht sparen kann. Das würde bedeuten, dass wir im dritten Jahr in Folge die Pensionen nicht voll erhöhen.

Willi Bründlmayer möchte Arbeitslose einsetzen. Rudolf Hundstorfer will lieber, dass sie schnell wieder einen fixen Job finden.
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STANDARD: Warum sollte man die Senkung der Steuern auf Arbeit nicht mit einer neuen Vermögenssteuer finanzieren?

Bründlmayer: Ich bin ja für die aktuellen Vermögenssteuern, aber die andiskutierte neue Vermögenssteuer wäre eine Katastrophe, weil man damit dem Schnüffeln des Staates Tür und Tor öffnet. Wer stellt fest, wer die 83.000 Personen sind?

STANDARD: Wollen Sie schnüffeln?

Hundstorfer: Wir haben ein Konzept vorgelegt, bei dem wir nicht schnüffeln. Wir wollen erst ab einer Million eine Abgabe verlangen. Es sollen nur vorhandene Daten verwendet werden. Wir wollen nicht überprüfen, ob der Weingarten des Herrn Bründlmayer in den letzten zehn Jahren um zehn oder um hundert Prozent gestiegen ist.

Bründlmayer: Ein Beispiel: Ein Mechaniker steckt seine Lebensfreizeit in die originalgetreue Renovierung eines Ferrari 1936, der dann etliche Millionen wert ist. Ist derjenige dann Millionär?

"Auch wenn man Arbeitslose für vier Wochen voll bezahlen würde, wird nicht jeder mitmachen."
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STANDARD: Sie haben beim Verfassungsgerichtshof Beschwerde gegen die Schaumweinsteuer eingelegt. Warum?

Bründlmayer: Die Schaumweinsteuer ist nicht nur unfair, sie ist auch unklug. Prosecco ist von der Sektsteuer nicht erfasst. Aktuell wandern 20 bis 25 Prozent des Absatzes vom österreichischen Sekt zum Prosecco, nach Norditalien. 2005 wurde die Sektsteuer abgeschafft, dem österreichischen Sekt geht es seither viel besser.

Hundstorfer: Ich gebe offen zu, die Sektsteuer ist eine Einkommensmaßnahme.

Bründlmayer: Bei einer Staatsquote von 45 Prozent bleiben der Öffentlichkeit bei jeder Flasche, die um neun Euro verkauft wurde, vier Euro. Wir gewinnen also durch die Sektsteuer 75 Cent pro Flasche und verlieren vier Euro an Norditalien, wo der Prosecco herkommt. Die Einhebung ist sehr teuer, und verwaltungstechnisch ist das sehr mühsam.

STANDARD: Warum hat man sich beim Sparpaket die Wiedereinführung der Sektsteuer ausgesucht?

Hundstorfer: Wir haben geschaut, was geht. Die paar Cent pro Flasche sind zumutbar.

STANDARD: Machen 75 Cent pro Flasche wirklich so viel aus?

Bründlmayer: Österreichischer Sekt wird zerrieben zwischen Prosecco, der sehr populär ist, und Champagner, bei dem die Steuer wenige Prozent vom Gesamtpreis ausmacht.

STANDARD: Eine Flasche Brut-Sekt von Herrn Bründlmayer kostet rund 25 Euro. Ist das teuer?

Hundstorfer: Man muss schon eine gewisse Kaufkraft haben, um 25 Euro für eine Flasche hinlegen zu können. Die Qualität bei diesem Sekt ist aber da, keine Frage. Am Konflikt zwischen Prosecco und dem österreichischen Sekt ist nicht die Schaumweinsteuer schuld, sondern dass Prosecco sehr billig verkauft wird. Für 25 Euro kriegen Sie schon drei Flaschen Prosecco.

"Die andiskutierte neue Vermögenssteuer wäre eine Katastrophe."
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STANDARD: Dürfen Sie als Sozialdemokrat teuren Wein trinken und loben? Dem ehemaligen Kanzler Alfred Gusenbauer hat das nicht geholfen, er galt als abgehoben.

Hundstorfer: Ich habe mich in meinem ganzen Leben immer bemüht, Durchschnittspreise für Wein zu bezahlen. Ich würde nie für eine Flasche Wein 100 Euro ausgeben. Es gibt manche Leute, die 200 Euro für eine Flasche zahlen, aber das ist mir viel zu teuer. Das passt nicht zu meinem sonstigen Lebensstil. Wie viel kostet Ihre teuerste Flasche?

Bründlmayer: Um die 30 Euro.

Hundstorfer: Und lang gelagerte Weine?

Bründlmayer: Wir haben lang gelagerte Weine, aber damit machen wir kein Geschäft. Wir verwenden sie für die Sommelier-Ausbildung, verkaufen sie aber nicht.

STANDARD: Warum nicht?

Bründlmayer: Wir wollen nicht Teil des spekulativen Weingeschäftes sein. Wir verkaufen den aktuellen Jahrgang. Ich will, dass die Leute zu unserem Wein sagen: Es war nicht geschenkt, aber es war das Geld wert.

STANDARD: Herr Bründlmayer, Sie würden einige der Vorschriften in Österreich abschaffen. Welche?

Bründlmayer: Wenn jetzt die Weinlese kommt und ich einen Pensionisten frage, ob er mithelfen will, dann sagt er, er kann nur 395 Euro im Monat oder 30 Euro pro Tag dazuverdienen. Dasselbe gilt für Arbeitslose.

Hundstorfer: Der Pensionist kann mehr als 395 Euro - das ist die Geringfügigkeitsgrenze - dazuverdienen. Ab der regulären Alterspension wird die Pension nicht gekürzt. Arbeitslose können bis zu diesen 395 Euro dazuverdienen. Wir wollen aber versuchen, dass die Leute in einer vernünftigen Zeit in den Erwerbsprozess zurückkommen. Auch wenn man Arbeitslose für vier Wochen voll bezahlen würde, wird nicht jeder gerne mitmachen. In die Höhe des Arbeitslosengeldes wird dieser Lohn miteinberechnet, und die Frage ist, was nach diesen vier Wochen kommt.

Bründlmayer: Wenn schönes Wetter ist, ist die Weinlese auch herrlich für die Psyche. Man spart sich möglicherweise manchen Arztbesuch, wenn man so einen zeitlich begrenzten Job als Erntehelfer macht. Alles in allem bin ich lieber in Österreich Winzer als in Deutschland oder Frankreich, trotzdem wäre eine unkomplizierte Möglichkeit eines Zuverdienstes wünschenswert. Wein lesen kann jeder, und die Weinlese würde Arbeitslose aufbauen.

STANDARD: Eine Parallele zwischen Ihnen beiden ist die Tradition. Herr Hundstorfer ist in der SPÖ als Junggewerkschafter, Gewerkschaftschef und Sozialminister einen sehr traditionellen Weg gegangen. Herr Bründlmayer, Sie haben das Weingut von Ihrem Vater geerbt, und Ihr ältester Sohn wird von Ihnen übernehmen, wie wichtig ist Ihnen das?

Bründlmayer: Ich will, dass das Weingut von jemandem übernommen wird, der die Arbeit mit Herz macht. Wenn es mein ältester Sohn ist, ist das wunderbar.

Hundstorfer: Ich sehe mich nicht als traditionellen Menschen. Ich kann nicht abstreiten, dass ich einen traditionellen Weg gegangen bin. Das war aber nur möglich, weil ich bereit war, etwas Neues zu machen.

STANDARD: Was mögen Sie an der Tradition?

Bründlmayer: Wein hat ein Kulturumfeld, das es seit 10.000 Jahren gibt. Vielleicht geht die Menschheitskultur darauf zurück, dass die ersten Beerensammler den Saft nach einer Woche getrunken haben und entdeckten, dass dabei ein besonderes Gemeinschaftserlebnis entsteht. Seither gibt es die Weinkultur, und es ist schön, sie zu pflegen. Ich mache meinen traditionellen Beruf sehr gerne, freue mich aber auch über Neues, Unkonventionelles. (Lisa Kogelnik, DER STANDARD, 30.8.2014)