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Eingang zu einem Krankenhaus in Dakar: Am Freitag erreichte das Virus mit dem Senegal das fünfte Land in Westafrika

Foto: AP/Hahn

Paris/Freetown/Conakry - Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen will im Kampf gegen die Ebola-Epidemie in Westafrika den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (UN) einschalten. Nur mit einem stärkeren und von den UN koordinierten Engagement der Weltgemeinschaft könne die Seuche unter Kontrolle gebracht werden, sagte der Chef der französischen Sektion von Ärzte ohne Grenzen, Mego Terzian.

Mit einer UN-Resolution sollten vor allem europäische Länder und die USA dazu veranlasst werden, sich stärker bei der Bekämpfung der tödlichen Viruserkrankung zu engagieren. So lange diese beiden Regionen von der Epidemie verschont würden, bleibe das weltweite Engagement zu gering."Außer zahlreicher Reden und Versprechen finanzieller Hilfe ist nichts passiert", kritisierte Terzian das Verhalten der Industriestaaten. Diese hätten sogar eher noch Schaden angerichtet, indem sie die afrikanischen Regierungen zum Schließen von Grenzen und der Annullierung von Flugverbindungen geraten hätten.

Inzwischen sei die Lage so ernst, dass sie weder von Ärzte ohne Grenzen noch von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) oder den Regierungen der betroffenen Länder unter Kontrolle gebracht werden könne. Der Sicherheitsrat solle sich deshalb des Problems annehmen und den Kampf gegen die Epidemie mit führenden Industrieländern koordinieren. Diese könnten auch Ärzte, Logistikexperten und sonstiges Personal entsenden - nicht zuletzt, um für Sicherheit zu sorgen.

Rasche Ausbreitung

Am Freitag erreichte das Virus mit dem Senegal das fünfte Land in Westafrika. Gesundheitsministerin Awa Marie Coll Seck bestätigte den ersten Fall in dem Land. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) teilte mit, die Zahl der Infektionen sei in der vergangenen Woche stärker gestiegen als in jedem vergleichbaren Zeitraum seit Ausbruch der Seuche.

Der erste Ebola-Patient im Senegal sei in einem Krankenhaus der Hauptstadt Dakar isoliert worden, sagte die Ministerin. Demnach handelt es sich um einen 21 Jahre alten Studenten aus dem Nachbarland Guinea. Nach Angaben der Ministerin gab es Informationen aus Guinea, dass dort ein Mann, der unter Beobachtung stand, verschwunden sei und sich möglicherweise im Senegal aufhalte.

Die WHO erklärte, der Negativrekord-Anstieg betreffe jedes der drei hauptsächlich betroffenen Länder Guinea, Liberia und Sierra Leone. Demnach wurden in der 35. Kalenderwoche etwa 550 Fälle bekannt, in der 34. Woche waren es knapp 400 - auch diese Zahl war bis dahin beispiellos.

Quarantäne in Liberia aufgehoben

In Liberia wurde nach fast zwei Wochen am Samstag die umstrittene Isolierung eines riesigen Slums aufgehoben, der im Kampf gegen Ebola unter Quarantäne gestellt worden war. Hunderte der bis zu 75.000 Einwohner des Armenviertels West Point in der Hauptstadt Monrovia seien auf die Straßen gegangen, um die Entscheidung zu feiern. Zuvor hatten tausende Menschen keinen Zugang mehr zu Lebensmitteln und Trinkwasser. Bei Zusammenstößen zwischen der Polizei und Demonstranten war ein
15-Jähriger in West Point ums Leben gekommen. Experten hatten kritisiert, eine derart
umfangreiche Isolierung mache keinen Sinn und sei auch nicht zu handhaben.

"Wer es sich leisten konnte, hat die Wachleute an den Kontrollpunkten
geschmiert", berichtete ein 56 Jahre alter Bewohner. "Wir gingen dann in
die Stadt, um Lebensmittel zu kaufen und unsere Familien am Leben zu
halten." Eine 36-jährige Witwe meinte: "Wenn die Quarantäne länger gedauert
hätte, wären meine Kinder verhungert."

Die Lage entschärfen sollen in Liberia auch fünf neue Behandlungszentren mit je 100 Betten, teilte die Regierung am Samstag mit. Der Regierung des Landes wurde vorgeworfen, dass sie zu langsam auf die Seuche reagiert habe. In der Hauptstadt Monrovia mussten Ebola-Kranke bereits vor überfüllten Kliniken abgewiesen werden. Die Situation hat sich verschärft, da auch internationales Pflegepersonal abgezogen wurde, nachdem sich Hilfskräfte aus den USA infiziert hatten.

Durchschnittlich jeder zweite Fall tödlich

Die Sterblichkeitsrate von Ebola bezifferte die WHO mit durchschnittlich 51 Prozent in Westafrika. Sie reicht von 41 Prozent in Sierra Leone bis 66 Prozent in Guinea.

Der Erreger tauchte zuerst - vermutlich Ende vorigen Jahres - in Guinea auf, breitete sich nach Liberia aus, dann nach Sierra Leone und im Juli nach Nigeria. Die Zahl der Patienten verdoppelte sich bisher nach Angaben von Forschern der Harvard University in Cambridge (USA) binnen rund 35 Tagen, wie sie in der Fachzeitschrift "Science" berichteten.

Bis zum 26. August registrierte die WHO in den drei Ländern und Nigeria insgesamt 3.069 bestätigte und Verdachtsfälle, 1.552 Menschen starben. Tatsächlich könnten die Zahlen zwei bis vier Mal so hoch liegen, warnte die Organisation. (APA/red, derStandard.at, 30.8.2014)