"Four more years? Bitte nicht" titelt Presse-Chefredakteur Rainer Nowak seinen Wochenend-Leitartikel zur innenpolitischen Lage. "Keiner will sie" ist als Befund über die gerade noch große Koalition übertrieben, ihre "gemeinsame Mehrheit" ist laut Umfragen "weg". Das ist sicher Realität.

Aber was ist die Alternative? Etwa Schwarz-Blau, wofür Nowaks Vorvorgänger Andreas Unterberger an der Wende zum Jahr 2000 begeistert warb? Und an dessen Erbe (siehe Hypo Alpe Adria oder Volksbank) wir bitter leiden? Etwas anderes geht sich nicht aus. Und eine wichtige Frage wird nie gestellt, wenn es um die Neuauflage einer Rechts-rechts-Koalition ginge: Wo ist die Sachkompetenz freiheitlicher Anwärter(innen) auf Ministerposten?

Der Magen grummelt, aber es bleibt nicht anderes übrig, als Rainer Nowak zu antworten: Trotz allem, bitte weiter!

Die großen Koalitionen waren in Österreich jahrzehntelang fixer Bestandteil des politischen Systems. Sie verfügten über erdrückende Mehrheiten.

In Deutschland waren sie seltene Notlösungen. Die derzeit regierende ist mehr - eine Kooperation der beiden großen Lager in schwierigen Zeiten. In Italien hätte es sie auch gegeben, wenn das neben den Christdemokraten andere große Lager nicht die KPI gewesen wäre. Im Ex-Kommunisten und (in steinernem Alter) Immer-noch-Staatspräsidenten Giorgio Napolitano bündelte sich eine historische Koalition in einer Person - folgerichtig schaffte nur er, zusammen mit der Justiz, die Entmachtung von Silvio Berlusconi.

Solange sich die Wirtschaft nicht dauerhaft erholt, ist eine Zusammenarbeit jener Kräfte erforderlich, die auch der Sozialpartnerkonstruktion entsprechen. Siehe Steuerreform, bei der es nicht nur um Gegenfinanzierungen, sondern auch um mehr Steuergerechtigkeit geht. Es kann nicht sein, dass kleine Einkommen im Schnitt prozentuell gleich hoch besteuert werden wie die großen in der Realität.

Der ÖVP-Obmannwechsel vom Dogmatiker Spindelegger zum Pragmatiker Mitterlehner ist tatsächlich eine letzte Chance. Warum soll sich Österreich just in Zeiten wie diesen politisch vom großen Handelspartner Deutschland abkoppeln?

Umso mehr, als die Debatten und Kommentare zur Innenpolitik nur am Rande die europäische Kriegsgefahr streifen. Selbst in der journalistischen Community wird die Polarisierung schärfer - zwischen den Unterstützern von (nur) Sanktionen gegen Russland und den Verfechtern eines Waffengangs mit unabsehbaren Folgen. Die Nervosität unter den Bundesheeroffizieren, als sie von Spindelegger und Andreas Khol angegriffen wurden, hat auch diesen Hintergrund: die Lage in der Ukraine.

Das Projekt, den Staat und die Demokratie zu reformieren, wie es derzeit in SPÖ und ÖVP zaghaft passiert, ist trotzdem voranzutreiben. Harald Mahrer ist dafür ein Signal.

Im ersten Jahr der fünfjährigen Legislaturperiode ist wenig geschehen außer "Rempeleien", wie sie der Bundespräsident richtig genannt hat.

Jetzt geht es noch vier Jahre, wie in der Zeit vor der Verlängerung der Periode. 2018 wird in den Wahllokalen abgerechnet. Nicht früher. (Gerfried Sperl, DER STANDARD, 1.9.2014)