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Die Internetgeschäfte mit gefälschten Potenzmitteln und Appetitzüglern gehen offensichtlich gut. Die Polizei hat für Anschauungszwecke einen Teil der beschlagnahmten Materialien drapiert.

Foto: APA/BMI

Wien – Die Fahnder des heimischen Bundeskriminalamtes (BK) sind ja keine Unmenschen. Also ließen sie die luxuriöse Familienfeier mit 200 geladenen Gästen in einem Wiener Ringstraßenhotel mit Blick auf die Staatsoper am Sonntagabend noch unbehelligt. Doch Montag gegen sechs Uhr früh gab es für einige Gäste ein böses Erwachen. Nach zweijährigen Ermittlungen schlossen 120 Polizisten, Finanzfahnder und Zollbeamte die "Operation Vigorali" mit einem europaweit koordinierten Action Day ab. Es war der größte bisher in Europa durchgeführte Schlag gegen eine mutmaßliche Medikamentenfälscherbande.

15 Konten eingefroren

Die Eckdaten aus österreichischer Sicht: acht Festnahmen, darunter die angeblichen Capos aus Israel und Ungarn sowie zwei mutmaßliche Komplizen aus Österreich; zwanzig Hausdurchsuchungen; eine Million Tabletten, hauptsächlich gefälschte Potenzmittel und Appetitzügler, sichergestellt; 130.000 Euro Bargeld beschlagnahmt und eine Million Euro auf 15 Konten eingefroren. "Und das ist erst der Anfang", betonte BK-Cheffahnder Andreas Holzer. Auch in Ungarn, Slowenien, Frankreich, Spanien und Großbritannien schlugen die von Europol in Den Haag koordinierten Ermittler zu. Die internationale Zusammenarbeit brachte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) zum Schwärmen: "Unglaublich spannend, beispielhaft erfolgreich."

Begonnen hatte alles mit einem einfachen Lapsus. Im September 2012 bekam eine Wiener Apotheke Pakete zurück, weil die Poststücke nach einer Gebührenerhöhung unterfrankiert waren. Allerdings hatte die Apotheke die Pakete nie abgeschickt.

25.000 Kunden weltweit

Wie sich herausstellte, nützten Betrüger die Apotheke als Scheinadresse. In den Paketen sollten sich eigentlich via Internet bestellte Potenzmittel befinden. Seit der Viagra-Patentschutz in Europa 2013 abgelaufen ist, blühen aber nicht nur legale Generika, sondern auch gesundheitsgefährdende Totalfälschungen. Letztere befanden sich laut einer Analyse der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages) in den Paketen – hergestellt vermutlich in Indien, vertrieben unter Fantasie-Firmennamen. Später wurden die Pakete auch in anderen Ländern aufgegeben.

"Das sind keine Amateure", sagt Chris Vansteenkiste von Europol. Neben dem Onlinehandel betrieben die Verdächtigen auch ein Callcenter für Anfragen in diversen Sprachen. Weltweit dürfte der Ring mindestens 25.000 Kunden gehabt haben.

Laut Weltgesundheitsorganisation WHO ist jedes zweite im Internet gekaufte Medikament eine Fälschung. Selbst wenn es sich um einen richtigen Wirkstoff handelt, gibt es bei online erworbenen No-Name-Pillen häufig potenziell tödliche Dosierungsfehler. (Michael Simoner, DER STANDARD, 2.9.2014)