"Der Putin macht sich jetzt auch seine Republika Srpska rund um Russland herum, so wie damals Slobodan Milosevic rund um Serbien", hat letztens ein Bekannter gesagt, als in einem Caféhaus in Sarajevo die Ukraine-Krise debattiert wurde. Tatsächlich gibt es einige Parallelen in der politischen Strategie und Dynamik des Konflikts zwischen damals und heute.

Die jüngste Aussage des russischen Präsidenten, man müsse über die "Staatlichkeit der Ostukraine" reden, erinnert etwa an die Schaffung der Serbischen Republik Krajina, eines De-facto-Regimes, das 1990 ausgedacht wurde und bis zum Ende des Kroatienkriegs 1995 auf dem Territorium Kroatiens bestand. Der Staat Kroatien hatte über das von serbischen Einheiten kontrollierte Gebiet keine Gewalt mehr, so wie der ukrainische Staat nun in einigen Teilen der Ostukraine nicht. Auch in der Krajina wurde sowie auf der Krim ein äußerst fragwürdiges Referendum durchgeführt, bevor die "Republik" proklamiert wurde.

Ziel der nationalistischen Kräfte in der Krajina war ein Zusammenschluss mit Serbien, also die Schaffung eines Großserbiens, das allerdings niemals zustande kam. Dennoch kommt dieses Großserbien der Idee von "Neurussland", wie es die Separatisten in der Ukraine verfolgen, nahe. Während manche Neurussland bis nach Transnistrien denken (auch so etwas wie eine russische Republika Srpska in Moldau), also die Südukraine umfassend, wollten serbische Nationalisten Teile Bosnien-Herzegowinas und Kroatiens mit militärischen Mitteln abkapseln und dann vereinen.

Auch die Vorbereitung auf den Krieg war ähnlich. Anfang der 1990er wurde allerorts Propaganda über einen bevorstehenden "Genozid an den Serben" verbreitet. Viele glaubten dieses Bedrohungsszenario wegen des Völkermords an den Serben im Zweiten Weltkrieg. Putin spricht heute davon, dass man die russischsprachige Bevölkerung in der Ukraine schützen müsse. Diese Rhetorik, dass es im Ukraine-Konflikt um Menschen oder um Minderheitenrechte gehen würde, verschleiert aber, dass es um Territorium geht.

Einflusssphären sollen mittels nationalistisch aufgeladener Politik gesichert werden - und zwar nicht im eigenen Land, sondern im Nachbarland. "Die Strategie war ähnlich", sagt der deutsche Politikanalyst Tobias Flessenkemper von der Südosteuropagesellschaft: "Zunächst wird versucht, den Staat - heute die Ukraine, damals Kroatien und Bosnien-Herzegowina - zu delegitimieren, dann kommt die Propaganda, dann sogenannte Freiheitskämpfer, und dem folgt eine Destabilisierung." Vergleichbar sei auch die "Diffusität", die erzeugt werde. So wisse man im Fall der Ukraine und Russland nicht mehr, "was von außen und was von innen komme", so Flessenkemper. "So war es damals auch beim Regime in Belgrad und jenem der bosnischen Serben."

Ähnlich sei auch die Haltung Europas in der Krise, der "Mangel an einer gemeinsamen Interpretation der Lage", so wie damals in Bosnien-Herzegowina. Und das hat langfristige Folgen. "Auf Aggression droht die Isolierung zu folgen", so Flessenkemper. Bosnien-Herzegowina hat auch 19 Jahre nach Ende des Kriegs keinen EU-Kandidatenstatus. Und die politische Führung der Republika Srpska, die hier 1992 proklamiert und 1995 im Friedensvertrag von Dayton anerkannt wurde, propagiert heute verstärkt Abspaltung und Unabhängigkeit. (Adelheid Wölfl aus Sarajevo, DER STANDARD, 2.9.2014)