Die klar verlorene TV-Debatte, merkwürdig klingende Werbeslogans, alarmierende Umfragezahlen - knapp zwei Wochen vor der Abstimmung steckt die Dachorganisation der schottischen Unionisten "Besser gemeinsam" in der Krise. Dem seriösen Institut YouGov zufolge befürworten mittlerweile 47 Prozent der bei Referendum in knapp zwei Wochen Wahlberechtigten die Ablösung der Provinz von Großbritannien.

Das Auftreten der Separatisten unter Ministerpräsident Alex Salmond von der Nationalpartei SNP wird zunehmend triumphaler, Gegner werden niedergeschrien und als unpatriotisch verunglimpft. Zwar erwartet YouGov-Chef Peter Kellner noch immer ein Nein, aber: "Der Abstand könnte so gering sein, dass es in 10 oder 15 Jahren zu einer neuen Abstimmung käme."

Ja-Kampagne sehr präsent

Den YouGov-Zahlen zufolge haben die Kämpfer für die Spaltung des Vereinigten Königreichs im Lauf des August klar Boden gewonnen. Lag ihr Anteil zu Monatsbeginn noch bei 41 Prozent, ergab die Umfrage Ende August 47 Prozent. Ein zweites Ergebnis der Meinungsforscher verstärkt den Optimismus im Nationalistenlager: Die Mobilisierung für das Ja ist deutlich größer, ihre Argumente werden von den Bürgern besser wahrgenommen. Während sich nur zwei Drittel an Briefe oder Werbezettel der Neinsager erinnern, haben drei Viertel Post von den Nationalisten bekommen. Doppelt so viele Bürger erhielten persönlichen Besuch von Jasagern als von Unionisten. "Wir sind in den Stadtvierteln und auf Marktplätzen viel präsenter als die Nein-Kampagne", freut sich ein Nationalistensprecher.

Zu den Unionisten, die gezielt den Kontakt zur Bevölkerung suchen, zählt der frühere Labour-Minister Jim Murphy. Die ersten 70 seiner 100 geplanten Auftritte seien problemlos verlaufen, berichtet der 47-Jährige. In den letzten 14 Tagen aber musste sich Murphy immer häufiger gegen Störungen fanatischer Nationalisten durchsetzen. Vergangene Woche wurde er in Leven (Grafschaft Fife) durch Sprechchöre am Reden gehindert, schließlich auch mit Eiern beworfen. "Die Ja-Befürworter sollten den Mob zurückpfeifen", forderte Murphy empört.

Unionisten-Kampagne stottert

Die "Besser gemeinsam"-Kampagne hat ihre Finanzreserven, darunter eine Millionenspende der Harry Potter-Autorin Joanne Rowling, jetzt in Plakate gesteckt. Deren Slogans zielen auf den stilleren Patriotismus der (angeblich) schweigenden Mehrheit. Bürger posieren unter der Schlagzeile "Ich liebe Schottland, ich sage: Nein, danke" oder "Ich liebe meine Familie, ich sage: Nein, danke". Die aufs Herz zielenden Appelle, von Salmond umgehend als "dämlich" gebrandmarkt, widersprechen dem betont nüchternen Auftreten des früheren Labour-Finanzministers und Ober-Unionisten Alistair Darling. Die Abstimmung sei "kein Test, wie schottisch wir sind, sondern ein Test für unseren gesunden Menschenverstand", betont der Frontmann von "Besser gemeinsam". (Sebastian Borger aus London, DER STANDARD, 3.9.2014)