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Dominique Meyer: "Mit einer Auslastung von über 99 Prozent fix zu rechnen wäre Wahnsinn."

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STANDARD: Wie ist das eigentlich: Ist Thomas Platzer als kaufmännischer Geschäftsführer für die Finanzen verantwortlich - und Sie nur für das Programm?

Meyer: Das Vieraugenprinzip bedeutet nicht nur, dass es zwei Unterschriften unter den Verträgen gibt, sondern dass man die Sachen gemeinsam entscheidet. Ich bin Direktor, ich bin verantwortlich. Wir werden ja dafür bezahlt, dass wir die Probleme lösen. Ich sehe Thomas Platzer jeden Tag mehrfach, wir besprechen alle Angelegenheiten und haben keine Geheimnisse. Zudem habe ich Wirtschaft studiert. Wenn ich eine künstlerische Entscheidung treffe, dann auch im Bewusstsein, welche organisatorischen und finanziellen Konsequenzen das hat.

STANDARD: Ihr Gestaltungsspielraum ist aber klein. Wie sieht nun die finanzielle Situation aus?

Meyer: Minister Josef Ostermayer ist in einer unangenehmen Situation: Er bekommt nicht mehr Geld für die Kultur. Die Regierung hat aber eingesehen, dass wir mehr Geld brauchen. Wir haben daher für die nächste Spielzeit eine Notlösung gefunden. Wir haben die Eintrittspreise angehoben und das Opernmuseum geschlossen. Und wir werden von der Holding mehr Geld bekommen - aufgrund von Immobilienverkäufen. Ich halte es für einen Fehler, Besitz aufzugeben, um den laufenden Betrieb zu finanzieren. Aber in erster Linie bin ich Direktor der Staatsoper. Und daher ist es meine Pflicht, dass sie ihren Auftrag erfüllt. Die Schließung des Museums etwa wirkt sich wegen der Abschreibung mit einem Defizit von 650.000 Euro auf die Bilanz aus. Eine Doppelstrafe: Man muss das Museum schließen und dann noch dafür zahlen. Es ist uns aber gelungen, die Abschreibung im Rahmen des Ergebnisses der vorigen Spielzeit zu finanzieren.

STANDARD: Wie geht es weiter?

Meyer: Man hat die Basisabgeltung seit der Ausgliederung 1999 nur minimal erhöht, handelt aber mit den Gewerkschaften jedes Jahr die Lohnerhöhungen aus. Wir bekommen die Rechnung für die Gehaltserhöhungen unserer Mitarbeiter, die jenen im öffentlichen Dienst angepasst werden, aber nicht das Geld dafür. Das geht nur eine gewisse Zeit, 80 Prozent der Ausgaben betreffen Gehälter. Eine Produktion weniger zu machen, bringt praktisch nichts. Auch Nulllohnrunden lösen das Problem nicht. Die Regierung steht vor einer gewaltigen Aufgabe.

STANDARD: Wann wäre Ihre Schmerzgrenze erreicht?

Meyer: Wenn man mich zwingt, ein Budget zu erstellen, das offensichtlich zur Katastrophe führt. Ich war noch nie für ein Minus verantwortlich, das wäre für mich eine Beleidigung. Natürlich besteht unsere Arbeit nicht darin, ein Plus zu erwirtschaften. Unsere Arbeit besteht darin, das Steuergeld sinnvoll und sparsam einzusetzen. Ohne Basiserhöhung wird das nicht machbar sein. Ich lasse mich auch nicht zwingen, aus einer Ausnahmesituation die Regel zu machen. Mit einer Auslastung von über 99 Prozent fix zu rechnen, wäre Wahnsinn. Ich wäre verrückt, ein Budget auf dieser Basis zu erstellen.

STANDARD: Zukunft der Holding?

Meyer: Mir ist sehr wichtig, dass wir gefragt werden, wie das weitergeht; wir wollen eingebunden sein, nicht nur, da wir die Staatsoper verteidigen müssen: Wir haben in diesem Beruf auch viel Erfahrung. Übrigens: Holdingchef Georg Springer, der sechs Monate vor der Pensionierung zurücktrat, wurde in letzter Zeit von mehreren Seiten schlecht behandelt. Ich finde es nicht richtig, dass man auf einen Menschen schießt, der schon am Boden liegt.

STANDARD: Fehlt Ihnen Ihr größter Kritiker, Gerard Mortier?

Meyer: Ich mochte ihn. Wir hätten bei einer Produktion kooperieren sollen, aber ich habe das platzen lassen, da nicht klar war, wie sich das bühnentechnisch an der Staatsoper hätte ausgehen sollen. Es war wahrscheinlich dumm von mir. Er wurde wütend auf mich und blieb es. Ich habe ihn wirklich bewundert. Als ich jung war, habe ich wiederholt seine Vorstellungen in Brüssel besucht. Ich erzähle das als Zeichen der Bewunderung.

STANDARD: Mortier wäre als Staatsoperndirektor wohl etwas mutiger als Sie, was Regie anbelangt. Obwohl Sie mutig sind, allein dadurch, dass sie diesen Job machen.

Meyer: Konwitschny und Christof Loy hatten wir, es gab Auseinandersetzungen. Was ist mutig?

STANDARD: Vielleicht etwas Kontroverses produzieren, das zeigt, wie von der Staatsoper ästhetisch Zukunftsweisendes ausgehen kann.

Meyer: Ich finde diese Diskussion oberflächlich. Wenn man eine Premiere macht, wird man sowieso kritisiert. Letztendlich ist das Geschmackssache.

STANDARD: Stefan Herheim wird an der Staatsoper inszenieren. Was wird er machen?

Meyer: Die Frau ohne Schatten. Schon wenige Tage nach meiner Ernennung habe ich mit ihm geredet. Aber manchmal dauert es eben - bisweilen haben Regisseure auch Angst vor der Staatsoper. Sie fürchten, ausgebuht zu werden, fürchten schlechte Probenbedingungen, machen sich Sorgen, was aus ihrer Arbeit wird. Dadurch, dass wir sie einladen, ihre Inszenierungen aufzufrischen, kann ein Teil der Angst verschwinden. Auch Matthias Hartmann kommt, um seine Lady Macbeth zu überarbeiten.

STANDARD: Die Staatsoper hat einen Preis bekommen?

Meyer: Ja, die International Broadcasting Convention hat uns für unser Internet-Übertragungsprojekt den Spezialpreis verliehen. Die Fortschritte, die wir etwa im Bereich der Ultra HD-Technik erzielt haben, sind sehr wichtig: Die technischen Schwierigkeiten waren groß, mit unserem technischen Partner Samsung haben wir aber die Lösung gefunden, um die riesige Datenmenge zu komprimieren und über das Internet übertragen zu können. Ja, wir verdienen Geld damit. Und wir erschließen auch eine neue Quelle, da uns andere Häuser dafür bezahlen, dass wir ihnen unser System zur Verfügung stellen. (Ljubiša Tošić, Thomas Trenkler, DER STANDARD, 3.9.2014)