Samantha Cristoforetti beim Unterwassertraining, hier bei der Nasa in Houston, Texas. Im All muss jeder Handgriff sitzen.

Foto: NASA

In den winzigen "Tiuterra"-Kristallen sind Gesteinsproben aus aller Welt und Splitter eines Marsmeteoriten eingearbeitet.

Foto: Swarovski

Cristoforetti: Kampfpilotin mit Mission.


Im Folgenden weitere Eindrücke vom Astronautentrainingszentrum der europäischen Raumfahrtagentur Esa in Köln:

Foto: Swarovski / MAREIKE TOCHA
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Tropisch warm und dampfig ist die Atmosphäre - wie in einem Hallenbad eben. So sieht es auch aus in der "Neutral Buoyancy Facility", einem Teil des Astronautentrainingszentrums der europäischen Raumfahrtagentur Esa in Köln. Nur, dass die geflieste Halle nicht zum Plantschen gedacht ist. In das zwölf Meter lange und zehn Meter tiefe Tauchbecken werden regelmäßig originalgetreue Nachbildungen des Columbus-Moduls, des europäischen Teils der Raumstation ISS, versenkt.

Während es an der Wasseroberfläche kaum merklich blubbert, hantieren tief unten auf dem Grund des Beckens angehende Astronauten in voller Montur an dem zylinderförmigen Columbus-Modul. Im Wasser, wo die Taucher auf Sauerstoffflaschen angewiesen sind und Fortbewegung und Kommunikation einige Mühe erfordern, lässt sich am ehesten die Situation eines Weltraumspaziergangs simulieren. Ein nicht ganz passender Ausdruck, denn von einem Spaziergang kann man bei einem Außeneinsatz im All wohl kaum sprechen.

In einen unter Druck stehenden Anzug gequetscht und mit steifen, klobigen Handschuhen müssen die angehenden Astronauten ständig Haken auf- und wieder zumachen sowie allerlei Geräte bedienen, manchmal ohne sie zu sehen. Dabei müssen die Stiefel immer an der richtigen Position eingehakt sein - Abläufe, die in dem 29 Grad warmen Wasser stundenlang immer wieder eingeübt werden.

"Das Unterwassertraining für die Weltraumspaziergänge war das Spannendste und das Schwierigste in der Ausbildung", sagt Samantha Cristoforetti. Die 37-jährige Italienerin steht kurz vor dem Höhenflug ihrer Karriere: Ende November hebt sie als erste Italienerin und als dritte Europäerin zu einer sechsmonatigen Mission zur ISS ab. 2009 wurde sie als einzige Frau für die sechsköpfige Astronautenklasse der Esa ausgewählt - aus rund 8400 Bewerberinnen und Bewerbern aus ganz Europa.

Trekkie mit Traum

Das Weltall hat sie von klein auf angezogen: "Ich bin in einem Dorf in den Alpen aufgewachsen, wo der Himmel sehr schön zu sehen war. Sterne und Science Fiction haben mich schon immer fasziniert", sagt Cristoforetti, die von sich behauptet, in ihrer Jugend ein richtiger Trekkie gewesen zu sein.

Sie arbeitete konsequent an ihrem Traum: "Ich habe schon in der Schule Russisch gelernt und bin in einen Tauchkurs gegangen - sehr wohl mit Blick auf die Möglichkeit, Astronautin zu werden." Heute spricht sie neben Italienisch, Englisch und Russisch auch Deutsch und Französisch. An der TU München studierte sie Maschinenbau sowie Luft- und Raumfahrttechnik. Danach trat sie als eine der ersten Frauen in die italienische Luftwaffe ein, wo sie zur Kampfpilotin ausgebildet wurde. Als die Esa die seltene Gelegenheit bot, sich als Mitglied eines neuen europäischen Astronautenkorps zu bewerben, schlug sie sofort zu.

Nach der Auswahl und der Absolvierung einer 15-monatigen Grundausbildung wurde sie 2012 für eine Langzeitmission auserkoren, worauf zweieinhalb Jahre hochspezialisiertes Training folgten. "Ein gutes Jahr davon haben wir für die relativ kurze, aber gefährliche Phase des Starts und des Wiedereintritts der Sojus-Rakete verwendet", schildert die zierliche Raumfahrerin.

Deshalb fanden wichtige Teile des Trainings im "Sternenstädtchen" Swjosdny Gorodok nördlich von Moskau statt, ebenso bei der Nasa in Houston sowie in Japan und Kanada. Neben einer wissenschaftlichen Basisausbildung und ständigem Krafttraining wird vor allem das Verhalten bei Pannen eingeübt - etwa bei Feuer an Bord, bei Druckabfall oder Verlust von Ammoniak, das zur Kühlung der ISS dient.

Wie es sich anfühlt, in den engen Gängen der Raumstation zu arbeiten, verdeutlichen die 1:1-Rekonstruktionen verschiedener Teile der ISS, die in einer großen Halle am Gelände der Esa in Köln aufgestellt sind. Im nachgebauten Columbus-Modul etwa befinden sich auf kleinstem Raum Labors für biologische, medizinische und physikalische Experimente. Die schmalen Schlafkojen sind gewöhnungsbedürftig, und alltägliche Tätigkeiten wie Essen, Duschen und der Gang aufs WC werden zu einer Herausforderung.

Auf die Probe gestellt wird aber vor allem die psychische Standfestigkeit: Die Esa schickt dazu ihre Kandidaten etwa für eine Woche in eine Höhle auf Sardinien, um ihre Fähigkeiten zur Teamarbeit und Konfliktlösung zu testen. Dass sie als Frau noch zur Minderheit der Weltraumreisenden gehört, ist für Cristoforetti kein Problem. Unter den bisher rund 550 Menschen im All sind nur etwa zehn Prozent Frauen. "Frauen haben seit den 1980er-Jahren alles gemacht im All. Ich habe keinen Druck, etwas beweisen zu müssen."

An Bord der Sojus-Rakete, die Cristoforetti zur ISS bringen wird, werden sich auch drei winzige Swarovski-Kristalle befinden, in denen Gesteinsproben aus aller Welt und Splitter eines Marsmeteoriten eingearbeitet sind. "Ein Symbol für unseren Forscherdrang und die Begeisterung, die der Weltraum in den Menschen weckt", nennt Gernot Grömer die Kristalle. Er ist Obmann des Österreichischen Weltraumforums (ÖWF), das die Idee für die Verschmelzung von Erde und Mars in einem Kristall hatte. Vergangene Woche übergab er die Steinchen an Samantha Cristoforetti, die sie in ihrem mit 1500 Gramm sehr knapp bemessenen privaten Gepäck verstauen wird.

Erde und Mars verschmelzen

Insgesamt entstanden 100 "Tiuterra" genannte, unverkäufliche Einzelstücke. Die Initiative geht auf die UN World Space Week 2013 zurück. Damals hatte das ÖWF Wissenschafter und Weltall-Afficionados dazu aufgerufen, Gesteinsproben samt ihrer Geschichte einzusenden - das Ergebnis war eine Sammlung, die Steine aus der Antarktis und vom Meeresgrund beinhaltet genauso wie von einer Dorfschule in Ghana. In einer recht ungewöhnlichen Kooperation mit den Weltraumforschern des ÖWF entwickelte Swarovski schließlich ein eigenes Verfahren, um die Steine zusammen mit Spuren eines Marsmeteoriten zu verschmelzen. Die Kristalle treten nun wieder eine Reise in alle Welt an: zu den Einsendern der Proben, zu Museen und Raumfahrtorganisationen - und zur ISS.

Was Cristoforetti dort oben damit anfangen wird, ist unklar. An eine Mission zum Mars glaubt sie aber fest: "Ich würde zum Mars fliegen, wenn es die Möglichkeit gäbe! Ich glaube aber nicht, dass das noch in die Zeit meiner professionellen Tätigkeit fallen wird." Daran, dass Menschen dereinst den Roten Planeten besiedeln werden, zweifelt sie nicht: "Ich glaube, dass es ein selbstverständliches Ziel für die Menschen ist, ihren Horizont zu erweitern. Langfristig ist es nicht sicher für die Menschheit, auf nur einem Planeten zu leben."

Nach nur ein paar Stunden im klimatisierten Astronautentrainingszentrum ist für Laien jedenfalls klar, was Raumfahrer wohl am meisten vermissen: frische Luft. (Karin Krichmayr aus Köln, DER STANDARD, 3.9.2014)