Präsidenten sollten nicht immer die Wahrheit sagen: Als Barack Obama vergangene Woche vor der Presse einräumte, die USA hätten noch keine Strategie gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat", sprach er nur das Offensichtliche aus, setzte damit seine Außenpolitik aber massiver Kritik im eigenen Land aus - und das nur wenige Monate vor einer entscheidenden Kongresswahl, bei der die Demokraten die Mehrheit im Senat zu verlieren drohen.
Diesen Eindruck von Schwäche und Inkompetenz versuchen der Präsident und sein Team nun durch besonders scharfe Rhetorik wettzumachen. Vor allem seit der brutalen Ermordung des Journalisten Steven Sotloff überbieten sich Obama, Verteidigungsminister Chuck Hagel und Vizepräsident Joe Biden in fast schon religiös anmutenden Rachedrohungen ("bis zu den Toren der Hölle").
Das mag bei den eigenen Wählern zwar gut ankommen, sorgt aber anderswo für Irritationen. Ein wenig erinnert Obama dabei an Vorgänger George W. Bush, der nach 9/11 einen "Kreuzzug" ankündigte - der ihn schließlich ins Irak-Desaster führte. Gerade gegenüber religiösen Fanatikern sollten sich Politiker einer anderen Sprache bedienen.
Was dabei untergeht: Zwar fehlt den USA noch die ausgefeilte Strategie gegenüber der IS, aber ihr zuletzt gefahrener Kurs zeigt im Irak politisch und militärisch erste Erfolge. Der Durchmarsch der Jihadisten ist vorerst gestoppt. Das ist wertvoller als noch so deftige Reden. (Eric Frey, DER STANDARD, 5.9.2014)