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EZB-Chef Mario Draghi konnte im zinspolitischen Rat keine Einstimmigkeit für die neuen Maßnahmen finden

Foto: Reuters/Kai Pfaffenbach

Die Frankfurter Währungshüter haben am Donnerstag mit einem geldpolitischen Paukenschlag auf die schwache Wirtschaftslage in der Eurozone reagiert. Mit dem Ankauf von Pfandbriefen und forderungsbesicherten Wertpapieren wurden Ökonomen und Börsianer überrascht. Darüber hinaus wurden auch die Zinsen gesenkt, von bereits niedrigen 0,15 Prozent auf kaum noch wahrnehmbare 0,05 Prozent.

Gerade aus dieser Maßnahme leiten viele Volkswirte eine regelrechte Verzweiflung ab. Denn EZB-Chef Mario Draghi bezeichnete die Zinssenkung bei der Pressekonferenz als "technische Anpassung". Wirkliche Effekte für die Realwirtschaft erwartet also nicht einmal die Europäische Zentralbank. "Damit signalisiert die EZB, dass die Geldpolitik mit konventionellen Maßnahmen nicht mehr gelockert werden kann", schließt Philippe Gudin, Ökonom von Barclays Capital, daraus.

EZB hastet zu neuen Maßnahmen

Die Verzweiflung im EZB-Rat lässt sich auch daraus ablesen, dass Europas Notenbanker gar nicht erst darauf warten, dass ihre erst im Juni beschlossenen Maßnahmen gegen die Konjunkturschwäche anlaufen. Damals wurden Milliardenkredite an die Banken in Aussicht gestellt, am 18. September können die Banken erstmals die neue Möglichkeit nutzen, um - gegen den Nachweis, die Kreditvergabe an Unternehmen und Bürger anzukurbeln - sich bei der EZB so günstig wie nie einzudecken. Bis zu 400 Milliarden Euro sollen so in der Realwirtschaft ankommen, erwarten Ökonomen.

Ein drittes Indiz für die Verzweiflung: Draghi, der bei seinen Maßnahmen stets um Einstimmigkeit bemüht ist, hat nicht alle Gouverneure auf den neuen Kurs der EZB einstimmen können. Lediglich eine "komfortable Mehrheit" habe den Maßnahmen zugestimmt, so Draghi.

Wachstum lahmt, Arbeitslosigkeit ist hoch

Offensichtlich gibt es viele Gründe, warum der Italiener an der Spitze von Europas Zentralbank mit allen Mitteln die Wirtschaft anschieben will. Die Arbeitslosigkeit in der Eurozone ist hartnäckig hoch, während sie in den USA und Großbritannien stetig sinkt. Tatsächlich ist die Wirtschaftsleistung der Eurozone nach wie vor niedriger als vor dem Ausbruch der Finanzkrise, pro Kopf sind daher selbst für den statistisch durchschnittlichen Europäer echte Einkommenseinbußen zu beklagen.

Draghi beklagte in einer vielzitierten Rede Ende August, dass die Arbeitslosigkeit in der Eurozone wegen der schweren Schuldenkrise ab 2010 derart hoch sei. Die Wirtschaftspolitik müsse daher expansiv reagieren, auch der Fiskalpolitik komme eine wichtige Rolle zu, betonte Draghi.

Denn auch wegen der hohen Arbeitslosigkeit und der katastrophalen Auswirkungen der Sparpolitik in Ländern wie Spanien und Griechenland scheitert die EZB an ihrem wesentlichen Ziel: ihrer Definition von Preisstabilität.

Die Frankfurter Währungshüter erfüllen ihr Mandat, wenn die Teuerung in der Eurozone bei knapp zwei Prozent liegt. Doch aktuell ist die Inflation nur bei 0,3 Prozent, einem Bruchteil der Zielmarke. Bei derart niedrigen Sätzen drohen auch die Inflationserwartungen nach unten zu gehen. Ökonomen, Gewerkschaften und Sparer könnten die Hoffnung verlieren, dass die EZB jemals ihr Inflationsziel erreicht. Selbst die Ökonomen in der Zentralbank erwarten nicht, dass die Teuerung im Jahr 2016 wieder über 1,5 Prozent liegt.

Analysten jubeln, Sparer zaudern

Bankökonomen jubelten weitgehend über die neuen Maßnahmen. "Draghi does it!" prangt in großen Lettern als Titel über der Analyse, die Elga Bartsch, Europa-Volkswirtin von Morgan Stanley, an ihre Kunden schickte. Viele europäische Volkswirte teilen etwa die Meinung von Christian Odendahl, Chefökonom beim Centre for European Reform, der die jüngsten Maßnahmen als positive Überraschung sieht.

Mit der jüngsten Leitzinssenkung mache die EZB "das maximal Mögliche, was in ihrer Macht steht", meinte zudem Raiffeisen-Chefanalyst Peter Brezinschek am Freitag im Ö1-"Morgenjournal". Die EZB reagiere damit auf die gesunkenen Wirtschaftsaussichten und versuche, die Inflation in einen für die Wirtschaft ungefährlichen Bereich von ein bis zwei Prozent zu bringen.

Klar ist aber auch: Die jüngsten Maßnahmen werden ein Problem verschärfen. Sparer werden kaum höhere Zinsen für sichere Anlageformen wie Sparbücher und Versicherungen erwarten dürfen. Das ist in Ländern wie Österreich und Deutschland besonders dramatisch, machen hier doch die Spareinlagen einen großen Teil des Geldvermögens der Bürger aus. In Österreich waren zuletzt laut Daten der Oesterreichischen Nationalbank mehr als 240 Milliarden Euro in Einlagen und Bargeld investiert – rund 45 Prozent des gesamten Geldvermögens.

OeNB-Gouverneur Ewald Nowotny rückte daher am Donnerstagabend in der "ZiB 2" aus, um mögliche Aufregung der Sparer einzudämmen: Die EZB müsse einen Beitrag zur Wirtschaftsbelebung in der Eurozone leisten, auch wenn die Maßnahmen der Zentralbank allein dafür wohl nicht ausreichten. Höhere Zinsen könne es daher erst geben, wenn sich die Realwirtschaft weitgehend erholt hat. (Lukas Sustala, derStandard.at, 5.9.2014)