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Der alte Mann und das blühende Leben: Otto Schenk mit Alma Hasun in "Liebelei".

Foto: APA/Neubauer

Wien - Eine Pensionierung hat er nicht zu befürchten: Otto Schenk, Jahrgang 1930, ist eben das Zugpferd des Theaters in der Josefstadt. Man will ihn granteln sehen. Und es geht einem das Herz auf, wenn er liebevoll, gütig ist.

Gegen Schluss von Arthur Schnitzlers Liebelei, mit der am Donnerstag die Saison eröffnet wurde, steht er einen Moment lang einsam und verzweifelt auf der Bühne. "Sie weiß noch nichts, sie weiß noch nichts", sagt er. Wie soll, wie kann er seiner Tochter Christine, die er Tini ruft, erklären, dass ihr Liebster im Duell erschossen wurde? Er druckst herum, er beschwört die Schönheit des Lebens. In diesem berührenden Monolog, fast schon ein Gestammel, offenbart Schenk die Tragödie des Hans Weiring.

Trotzdem hat die Sache einen Haken: Man kann sich eigentlich nicht vorstellen, dass dieser alte Mann noch immer als Violinspieler am Josefstädter Theater Dienst tut und der Vater der blutjungen, über beide Ohren verliebten Christine ist. Warum, fragt man sich leicht irritiert, sucht die Josefstädter Direktion nicht ein Stück aus, das besser zu Schenk passt, der schon vor 19 Jahren Unser Opa ist der Beste spielte?

Auch die Mutlosigkeit stört ein wenig. Man konnte sich im Endeffekt nicht zwischen einer durch und durch klassischen Schnitzler-Inszenierung und einer gewagten, aber legitimierbaren Interpretation entscheiden. Alexandra Liedtke versuchte zumindest, die Geschichte eines Don Juan aus gutem Haus, der als Zeitvertreib ein süßes Mädel erobert und nebenbei ein Verhältnis mit einer verheirateten Frau pflegt, als Psychothriller zu inszenieren.

Fritz ahnt bereits, dass er im Duell sterben wird. Dementsprechend blass irrlichtert Florian Teichtmeister durch die Welt. Zur im Wortsinn knisternden, bedrohlichen Musik von Matthias Jakisic starrt er, einem Gespenst gleich, durch das Fenster in das Zimmer von Christine - der Voyeurismus wird von der Regie immer wieder thematisiert. Teichtmeister trägt, als sei er der Mörder, Handschuhe: Er streift sie auch nicht ab, wenn er Christine streichelt. Und wenn er mit ihr über das Zimmer spricht, dessen Gegenstände er kommentiert, dann ist sein Blick ins Nirgendwo gerichtet.

Unterstützt wird diese psychologische Sicht durch das Bühnenbild von Raimund Orfeo Voigt, das mit seinen großen, vielteiligen Fensterflächen eher an eine Fabriksarchitektur denn an ein Wohnhaus erinnert. Die Möbel in Fritzens Zimmer sind zwar etwas zu billig zusammengewürfelt, die enge Thonetsitzbank leistet dennoch gute Dienste - im Sinne des Konzepts: Auf ihr lässt es sich nicht wirklich bequem lieben.

Das übrige Ensemble aber spielt lieber Schnitzler klassisch. Alma Hasun agiert als Christine mit natürlichem Charme und unschuldigen Blicken. Der Unterwerfungsgesten sind es mitunter zu viele. Alexander Strobele als gehörnter Ehemann, der von Don Juan Satisfaktion fordert, ist ein respekteinflößender Steinerner Gast. Und Matthias Franz Stein geht in der Rolle von Fritzens Freund Theodor als Döblinger oder Hietzinger Schnösel geradezu auf: Man würde ihm, diesem miesen Weiberhelden, am liebsten eine tuschen. (Thomas Trenkler, DER STANDARD, 6.9.2014)