Der "Iron Curtain Trail".

Grafik: Der Standard

Punkt 8 Uhr fiel am 27. Juni nahe der norwegisch-russischen Grenze der Startschuss für eine historische Expedition zwischen Ost und West. Auf den Tag genau 25 Jahre zuvor hatten die damaligen Außenminister von Österreich und Ungarn den Grenzzaun symbolisch durchtrennt und den Eisernen Vorhang geöffnet. Ein Vierteljahrhundert später wurde die ehemalige Grenze zur Route für den deutschen Extremradler Joachim Franz und seinen Begleiter, den E-Bike-Experten Christian Roth.

Mehr als 9.000 Kilometern legten die beiden Expeditionssportler in etwa einem Monat auf ihren Elektrofahrrädern zurück. Begleitet wurde die "E-Expedition" von einem professionellen Team, das sich nicht nur um das Wohl der Sportler, sondern auch um die Wartung der Räder kümmerte. Das Projekt stand unter der Schirmherrschaft des Europäischen Parlaments und sollte einerseits die Geschichte Europas ins Bewusstsein rücken, gleichzeitig aber auch für eine neue nachhaltige Mobilität werben.

Bild nicht mehr verfügbar.

Radler auf dem "Iron Curtain Trail" bei Fertőrákos am Neusiedler See.

Der "Iron Curtain Trail"

Während es sich bei der "E-Expedition" um eine einmalige Aktion handelte, bleibt der Europa-Radweg entlang des Eisernen Vorhangs für jedermann befahrbar. Der "Iron Curtain Trail" wurde bereits im Jahr 2005 vom Europäischen Parlament auf Initiative des Berliner Europaabgeordneten Michael Cramer ins Leben gerufen. Cramer wollte einen Rad- und Wanderweg möglichst nah an der ehemaligen Grenze entwickeln und somit Zeitgeschichte, Politik und Natur zwischen Ost und West erlebbar machen.

Bild nicht mehr verfügbar.

Das "Eiserne Tor" an der Grenze zwischen Serbien und Rumänien ist einer der imposantesten Taldurchbrüche Europas und ebenfalls Teil des "Iron Curtain Trail".

An der Barentsee, entlang der norwegisch- und finnisch-russischen Grenze, beginnt die Route. Es geht weiter an der Ostseeküste von Estland, Lettland, Litauen und Kaliningrad über Polen bis hin zur ehemaligen Grenzlinie der DDR. Nach der langen innerdeutschen Strecke führt der Weg über die Höhen des Böhmerwalds und vorbei an der tschechisch-österreichischen Grenze bis zur Slowakei.

Bild nicht mehr verfügbar.

Quer durch die Natur: Die Auffahrt zum 1.315 Meter hohen Polednik im Böhmerwald.

Auf dieser landschaftlich schönen Route begegnet man immer wieder Überbleibseln aus der Zeit des Eisernen Vorhangs: Ehemalige Wachtürme und Sicherheitsanlagen sind auf dem Weg zu sehen. Nicht selten wurden diese Zeugnisse des Kalten Krieges kurzerhand umfunktioniert und so aus einem Grenzpfahl eine Einzäunung für Weidetiere.

Bild nicht mehr verfügbar.

Wie hier im Burgenland bei Sankt Margarethen lassen sich entlang des "Iron Curtain Trail" Reste des Eisernen Vorhangs finden.

Ein Radweg vorbei an historischen Schauplätzen

Der Weg am Dreiländereck von Österreich, der Slowakei und Ungarn gilt als besonders abwechslungsreich: Nahe der ungarischen Ortschaft Rajka zeigen internationale Künstler ihre Werke in einem Skulpturenpark, und auch der nahe gelegene Ort Bezenye ist aufgrund seines multinationalen Charakters einen Besuch wert. Hat man das Dreiländereck hinter sich gelassen, geht es weiter durch reizvolle Landschaften und kleine historische Orte. Vorbei am "ungarischen Versaille", dem Schloss Esterhazy in Fertöd, erreicht man Sopron, den Ort, an dem der Eiserne Vorhang vor 25 Jahren das erste Mal Löcher bekam.

Bild nicht mehr verfügbar.

Die Innenstadt von Sopron.

Entlang der südlichen Grenze Ungarns radelt man weiter durch Slowenien, Kroatien und die Vojvodina bis zur serbisch-rumänischen Grenze, wo der Radweg zu einem Großteil entlang der Donau verläuft. Über Mazedonien, Griechenland und die Türkei erreicht man den Endpunkt der Route in Bulgarien an der Schwarzmeerküste bei Carevo.

Die Küste bei Carevo als Endpunkt des "Iron Curtain Trail".
Foto: http://www.imagesfrombulgaria.com/v/Region_Bourgas/Tzarevo/

Ob mit dem E-Bike oder einem einfachen Fahrrad, der "Iron Curtain Trail" bietet eine spannende Reise entlang der europäischen Zeitgeschichte. Durch Nationalparks und vorbei an historischen Schauplätzen lassen sich 20 beteiligte Länder erkunden. Der Radfernweg ist als Eurovelo-Route 13 ausgeschildert und noch nicht vollständig ausgebaut. Bis zur geplanten Fertigstellung 2020 muss man noch mit Lücken und weniger ausgebauten Wegabschnitten rechnen. Für all diejenigen, die es nicht den Expeditionssportlern Joachim Franz und Christian Roth gleichtun wollen: Die Strecke lässt sich einfach in verschiedene Etappen unterteilen. (Britta Breuers, derStandard.at, 10.9.2014)