Etwa zwei Milliarden Menschen weltweit essen täglich Insekten. Nur wir nicht. Denn bei uns in Europa ist die Entomophagie – der Verzehr von Insekten durch den Menschen – weder verbreitet noch beliebt. In gewisser Hinsicht ist sie sogar verboten, denn laut Gesetz darf zum Beispiel die Gastronomie in Österreich keine Insekten zum Verzehr anbieten.
Insekten könnten in Zukunft aber zu einer der wichtigsten Nahrungsquellen weltweit werden. Durch das immense Bevölkerungswachstum, vor allem das der Mittelschicht, sowie das unglaublich schnelle Wachstum der Großstädte steigt auch der Bedarf an Lebensmitteln, insbesondere an tierischen Proteinquellen. Und die brauchen Platz, Wasser, Ressourcen.
Ohne Ausbau alternativer Quellen wird in naher Zukunft sowohl für die Ernährung der Menschen als auch für die Versorgung der Tiere – Landwirtschaft sowie Haustiere – ein Lebensmittelengpass entstehen, und ein Umdenken muss zwangsläufig stattfinden. Futtermittel wie Fischmehl, Soja und Getreide sind heutzutage knapp, und für deren Sicherung in der Zukunft müssen neue Wege beschritten werden.
Insekten als Futtermittelalternative ...
Vergleicht man Insekten und deren Bedarf an Futtermitteln mit dem eines Rindes, wird schnell deutlich, wo der wirkliche Vorteil liegt. Denn werden für ein Kilogramm Rindfleisch noch acht Kilogramm Futtermasse benötigt, braucht man nur zwei Kilogramm Futter, um ein Kilogramm Insektenmasse zu gewinnen. Dazu kommt, dass das für die Rinderzucht benötigte Futter erst einmal aus immer knapper werdenden Ressourcen produziert werden muss, wohingegen Insekten mit Bio-Abfällen gezüchtet werden können.
Wenn man nun also anstelle der herkömmlichen Futtermittel für die Viehzucht auf Insekten und damit sehr proteinhaltiges Futtermittel umstellen würde, könnte man nicht nur die bis dato für die Tierfutterherstellung genutzten Nahrungsmittel anders nutzen, sondern auch mithilfe von Kompost und tierischen Abfällen wiederum Futtermittel herstellen. Ein optimierter Kreislauf sozusagen.
Aber nicht nur, dass Insekten als Futtermittelalternative genutzt werden könnten – sie könnten genauso wirkliche Alternativen zum Fleischverzehr werden. Betrachtet man Insekten als Nahrungsmittel, gibt es kaum einen besseren Eiweiß- und Proteinlieferanten. Landwirtschaft und Nahrungsmittelqualität würden sich verbessern, Treibhausgasemissionen und Wasserverbrauch würden reduziert werden. Das mag nun alles sehr rationalisierend und theoretisch klingen, aber unserer Meinung nach kommt es in nächster Konsequenz darauf an, wie man mit dieser Ressourcenersparnis umgeht.
Und selbst wenn man sich den Verzehr von Insekten beileibe nicht vorstellen kann – die globale Tierfuttermittelproduktion betrug im Jahr 2010 atemberaubende 720 Millionen Tonnen! Wir sprechen hier von Soja, Getreide, Mais, Fischmehl und vielem mehr, was durch die Zugabe von Insekten schlagartig reduziert werden könnte. Laut Studien bieten sich hierfür sowohl die Schwarze Soldatenfliege als auch der Gelbe Mehlwurm und die Stubenfliege an.
... oder zum direkten Verspeisen
Nun kann man Insekten aber nicht nur als umweltschonenderen Futtermittelersatz ansehen, sondern einen Schritt weiter gehen und hinterfragen, warum man sich dann nicht gleich selbst von diesen ernährt.
In unserer Gesellschaft werden verschiedenste Tiere verzehrt – Austern, Krebse, Garnelen. Oder auch Schnecken, die von den Speisekarten Frankreichs nicht wegzudenken sind. Auch hier in Wien wird diese immer populärer, gibt es doch zahlreiche gastronomische Betriebe – vom Beisl bis zum Haubenrestaurant –, die Schnecke auf der Karte haben. Warum also nicht auch Insekten?
Den Gedanken, dass Insekten schädlich sein könnten, können wir heute auch aus der Welt schaffen. Natürlich kann man nicht einfach hinausgehen und sich die nächste Fliege/Mücke/Spinne einverleiben. Für den Verzehr bestimmte Insekten werden unter den gleichen hygienischen Bedingungen wie andere Lebensmittel auch gezüchtet. Und hier gibt es bis dato keine bekannten Fälle von Krankheiten oder Parasiten, die durch den Verzehr auf den Menschen übertragen wurden und werden. Was allerdings sehr wohl bemerkt werden sollte: Wer eine Allergie gegen Schalentiere hat, sollte auf Insekten gleichermaßen verzichten.
Käfer sind am Beliebtesten
Insekten zu essen gilt in Ländern in Asien, Afrika und Südamerika als Delikatesse. Manche Krabbler wie die Mopanewürmer (südliches Afrika) und die Eier der Weberameise (Südostasien) erzielen unfassbar hohe Preise, die weit über denen für Rindfleisch angesiedelt sind.
Kulinarisch am beliebtesten ist der Käfer (31 Prozent), gefolgt von der Raupe (18 Prozent) und den Bienen, Wespen und Ameisen (14 Prozent). Erst dann kommen Grashüpfer, Heuschrecken und Grillen (13 Prozent), Wanzen und Pflanzenläuse (zehn Prozent), Termiten (drei Prozent), Libellen (drei Prozent), Fliegen (zwei Prozent) und andere (fünf Prozent).
Wird das Essen von Insekten in naher Zukunft "Trend" und somit automatisch ein Bestandteil unserer westlichen Esskultur? Durch Globalisierung, Wachstum und letztendlich auch Lifestyle und Lebensmitteltrends in der (Spitzen-)Gastronomie kann das schnell passieren.
Allerdings wird es wohl noch einige Zeit dauern, bis unsere Gesellschaft den Ekel und die Ressentiments ablegt. (Antonia Kögl, Benedikt Steinle, derStandard.at, 10.9.2014)