Die Entwerferin Francesca Amfitheatrof will von Schmuck vor allem eines: dass er tragbar ist.

Foto: Tiffany / Martin Crook

Ein Ausschnitt aus der T-Kollektion: Armband, Armkette und Armreif mit weißer Keramik, alles in 18 Karat Gelbgold

Foto: Tiffany / Martin Crook

Armreifen in Silber und schwarzem Rhodium

Foto: Tiffany / Martin Crook

Ringe in Rotgold, Silber und Gelbgold

Foto: Tiffany / Martin Crook

Ringe und Armband in 18 Karat Weißgold mit Diamanten

Foto: Tiffany / Martin Crook

Frühstück bei Tiffany gibt's nicht jeden Tag. An diesem schon, denn das Traditionshaus hat zu einem ebensolchen in die Londoner David Gill Gallery geladen. Der Grund: Francesca Amfitheatrof, seit September des Vorjahres Design-Direktorin von Tiffany, präsentiert ihre erste Schmuckkollektion - circa 50 Teile, die dieser Tage mit Samthandschuhen in die Vitrinen von Tiffany gelegt werden.

Der Anlass ist kein unbedeutender, denn die Frau, die 1970 in Tokio zur Welt kam und in Rom, Moskau, London sowie Manhattan lebte, tritt in keine kleinen Fußstapfen: Das 1837 von Charles Lewis Tiffany in New York gegründete Haus steht seit jeher für bedeutende Entwurfsarbeit in der Welt der Juwelen. 1878 staunte man bei der Pariser Weltausstellung über Tiffanys Japanesque-Silber, 1887 erwarb der Firmengründer die französischen Kronjuwelen, was ihm den Titel "König der Diamanten" bescherte.

Um die Jahrhundertwende machte sich Louis Comfort Tiffany als Jugendstilkünstler einen Namen, es folgten mondäne Art-déco-Stücke, Objekte von Elsa Peretti und die von der Natur inspirierten Werke Jean Schlumbergers, darunter opulent funkelnde Seepferdchen, Fische und anderes aus Fauna und Flora. Die Kundschaft hieß Elizabeth Taylor oder Jacqueline Kennedy. Paloma Picasso setzte sich für Tiffany an den Zeichentisch und entwarf 1980 ihre erste Kollektion, und auch ein Frank Gehry wurde engagiert.

Klar und schlicht

Nun also Francesca Amfitheatrof: Die Location für die Präsentation in der King Street ist nicht zufällig gewählt, die Galerie zeigt zeitgenössisches Design, im Eingangsbereich etwa steht Zaha Hadids berühmter und unbezahlbarer Tisch "Liquid Glacial". Modernes Design steht auch für Francesca Amfitheatrof ganz weit oben, wenn es um das Verständnis ihrer Formensprache geht.

Das "T" steht in ihrer Kollektion nicht nur für Tiffany. "Dieser Buchstabe hat einen starken architektonisch-grafischen Charakter. Ich wollte etwas schaffen, das einen hohen Wiedererkennungswert hat und auf der ganzen Welt funktioniert. Außerdem soll die Linie eine starke Designsprache zum Ausdruck bringen", sagt Amfitheatrof, die an Audrey Hepburn ebenso erinnert wie an die französische Schauspielerin Audrey Tautou. In der Tat sind die Ketten, Ringe, Armreifen und Ohrringe sehr grafisch, klar und zeigen eindeutig eine neue Handschrift im Hause Tiffany.

Tragbarkeit ist wichtig

Es gibt die T-Stücke in blankem, edlem Metall ebenso wie mit Keramik oder Edelsteinen besetzt. Fast archaisch wirken manche der Schmuckobjekte, die einen stark und massiv, die anderen wiederum fragil und feingliedrig. Und doch sind sie eindeutig miteinander verwandt. Man erkennt schnell, dass sich diese Designerin auf die Kraft der Schlichtheit verlässt. "Besonders wichtig ist mir die Tragbarkeit. Schmuck will man angreifen, außerdem trägt man ihn mitunter rund um die Uhr auf der Haut", sagt die Globetrotterin, die mit einem Team von 20 Gestaltern in New York, gleich um die Ecke des Flatiron-Gebäudes, arbeitet. Apropos: Nicht nur dieses Haus hat es Amfitheatrof angetan, die ganze Skyline Manhattans hätte ihren Einfluss auf die Kollektion gehabt, erklärt sie.

Ob sie bei der Entwurfsarbeit an einen bestimmten Frauentyp dachte? "Das ist schwer zu sagen. Wir leben in einer globalisierten Welt. Wir sind in gewisser Weise alle eine Frau und weltweit von denselben Dingen beeinflusst, sei es im Design, der Mode, der Kunst oder der Literatur", lautet die Antwort der Entwerferin.

Alessi und Marni

Erlernt hat Amfitheatrof ihr Handwerk gründlich. Sie ist ausgebildete Gold- und Silberschmiedin, studierte am Royal College of Art in London ebenso wie an der Kunstuni Central Saint Martins. Bis heute lehrt sie an beiden Häusern. Doch es gab noch mehr Gründe für Tiffany CEO Michael J. Kowalski, die Frau an Bord zu holen. Amfitheatrof entwarf Brillen für Marni, Schmuck für Chanel und Fendi, aber auch Objekte für Wedgwood oder Alessi.

"Ich mag einfache Dinge"

Auch in der Welt der Kunst ist die Gestalterin zu Hause, als Consultant und Kuratorin für Sammlungen und Museen, darunter das Museo Gucci in Florenz oder die François Pinault Collection. Es ist die Liebe zur Kunst, zum blanken Metall und die Verbundenheit zur reduzierten Form, die mit Amfitheatrof Einzug bei Tiffany halten.

Die Antwort auf die Frage, was sie persönlich in Sachen Schmuck bevorzugt, überrascht nicht: "Ich mag einfache Dinge. Das gilt auch für Kleidung. Ich bin nicht der Typ, der sich stundenlang herrichtet, bevor er ausgeht." Das Wort Luxus verwendet die zweifache Mutter nicht. Es wird ihr zu oft ge- und missbraucht. "Ich trage Schmuck nicht wegen seines Wertes, sondern weil ich ihn mag und wegen der damit verbundenen Erinnerung."

Dass die Designerin ein Riesenerbe antritt, ist ihr klar. Dazu zählt nicht nur die Reihe der großen Gestalternamen, in der sie sich einfindet, sondern auch das Bewusstsein für den schier unendlich scheinenden Komos des Hauses Tiffany. "Es gibt bei uns Schmuck um 100 Dollar, aber auch um zehn Millionen Dollar. Und doch muss alles zusammenpassen und erkennbar sein." (Michael Hausenblas, Rondo Exklusiv, Herbst 2014)