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"Weitere Konzentration im Printsektor wird rechtlich nicht möglich sein", sagt Bundeswettbewerbsbehörde-Leiter Theodor Thanner.

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STANDARD: Finden Sie eigentlich noch Zeit für Medienthemen zwischen der Untersuchung des Telekommarkts und seiner rasant gestiegenen Preise oder auch dem Verfahren mit Spar? Oder konzentrieren Sie sich auf Märkte mit höheren Bußgeld-Aussichten als der Mediensektor?

Thanner: Ganz im Gegenteil. Es gibt eine lange Liste von Medien-Verfahren, die bei uns anhängig sind oder anhängig gemacht werden. Da gibt es einen inhaltlichen Schwerpunkt für den Herbst ...

STANDARD: ... im Zweifelsfall ist das in der Medienbranche immer der ORF.

Thanner: Bei einem Marktanteil von 35,7 Prozent im Fernsehen, abends sogar 42,1 Prozent, im Radio 74 Prozent und dominierenden Positionen im Internet und bei der TVthek müssen sich Wettbewerbshüter mit diesem Unternehmen beschäftigen. Vor allem, wenn dieses Unternehmen immer wieder neue Angebote starten will. Man spürt, dass sich der ORF nach dem Himmel streckt und da kreativ neue Geschäftsfelder sucht. Das kann existenzielle Gefahren für Privatsender bedeuten.

STANDARD: Wie zum Beispiel beim Projekt Ö3 Visual, einer Art Musikvideo-Kanal wie einst MTV oder heute das österreichische gotv, nur im Web.

Thanner: Das geht so aus den Unterlagen nicht hervor, aber es mag sein, dass das die Intention ist. Das Thema spielt übrigens bis in den Telekommarkt hinein, den wir ja gerade genauer untersuchen.

STANDARD: Weil?

Thanner: Der Telekomsektor will ja alle Angebote über ein Gerät zugänglich machen - also auch Video-Kanäle über Smartphone. Da wird es wohl Kooperationen des ORF mit Telekomanbietern geben, mit den bestehenden Großen oder neuen Mitbewerbern. Wir schauen uns auch den Breitbandsektor im Telekombereich genauer an. Da ist auch die Breitbandmilliarde ein spannendes, relevantes Thema.

STANDARD: Wenn soviel Geld, eine staatliche Beihilfe, in einen Markt fließt, dann könnten Unternehmen auf die Idee kommen, sich da abzusprechen.

Thanner: Wir werden uns das Thema jedenfalls genau ansehen. Und vermutlich wird man zu einem Vorhaben wie der Breitbandmilliarde auch Brüssel schon konsultiert haben - oder das noch tun.

STANDARD: Der ORF hat neben Ö3 Visual auch eine Radiothek beantragt, über die Sendungen des ORF eine Woche zentral abzurufen sind. Für Abrufportale wie die Radiothek gibt es ja Regeln aus dem EU-Wettbewerbsverfahren über den ORF. Das Verfahren dürfte also eher einfach sein, eine gemähte Wiese - oder?

Thanner: Das ist keine gemähte Wiese. Die Privatsender haben dagegen einige Einwendungen erhoben - sie hätten etwa keine Chance, etwas Vergleichbares auf die Beine zu stellen wie der Marktbeherrscher ORF. Unser Job ist hier auch jener eines Wächters für die Privaten. Wir werden uns diesen Bereich also genau ansehen und noch viele Gespräche mit dem ORF führen müssen. Nicht nur zu Radiothek und Ö3, sondern auch in anderen anhängigen und angekündigten Verfahren.

STANDARD: Nämlich?

Thanner: Zum Beispiel über die geplante Kooperation des ORF mit Zeitungen. Wobei ich positiv hervorheben möchte: Der ORF informiert frühzeitig über seine Vorhaben und führt Vorgespräche, das macht manches leichter.

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STANDARD: Der ORF will hier anderen Medienportalen Nachrichtenvideos zur Verfügung stellen und an den Werbeeinnahmen im Umfeld dieser Videos beteiligt werden. Sehen Sie Schwierigkeiten bei dieser Kooperation?

Thanner: Wir haben derzeit nur eine Ankündigung, aber keine Unterlagen dazu. Insofern können wir dazu noch nichts Konkretes sagen. Da wird es noch viele, wohl auch schwierige Gespräche geben. Ich hoffe: lösungsorientierte. Wir sind immer lösungsorientiert im Sinn der Sache. Ich will nicht, dass sich das ewig hinzieht. Davon hat niemand etwas - auch die Unternehmen nicht.

STANDARD: Kronehit hat sich zuletzt über den ORF beschwert: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk und Ö3 missbrauchten ihre Marktmacht mit Exklusivverträgen bei Konzertveranstaltern. Ich höre, auch die Wettbewerbsbehörde findet diese Vereinbarungen zumindest bedenklich. Sieht der ORF das ein?

Thanner: Ich kann inhaltlich dazu nichts sagen, aber: Vom ORF gibt es bisher unterschiedliche Signale. Auch hier suchen wir eine vernünftige Lösung, einen Kompromiss auf der Basis der geltenden Rechtsordnung. Es hat keinen Sinn, da jahrelang Verfahren zu führen. Solche Verfahren blockieren auch Investments. Wir werden also im Herbst auch hier einen intensiveren Diskurs führen.

STANDARD: Die klassischen Medienunternehmen argumentieren, sie müssten sich gegen internationale Giganten wie Google und Facebook zusammenschließen. Hat die Bundeswettbewerbsbehörde dafür Verständnis?

Thanner: Die Argumentation ist grundsätzlich nachvollziehbar - wie etwa auch im Telekommarkt. Grundsätzlich gibt es im Medienmarkt den Trend zu immer höherer Konzentration - und der steht in einem Spannungsfeld zum Kartellrecht, in dem Meinungsvielfalt ein wesentliches Kriterium ist. Der Bereich Printmedien ist etwa schon ein höchst konzentrierter Markt, auch im Vertrieb gibt es schon viele Kooperationen. Unser Job ist es, auf die Einhaltung des Kartellrechts und seiner Regeln zu achten. Deshalb wird das ein schwieriger Herbst mit vielen, vielen, auch schwierigen Gesprächen.

STANDARD: Greift nationales Wettbewerbsrecht überhaupt gegen einen Giganten wie Google?

Thanner: Ich bezweifle, dass die Vorschriften des Kartellrechts in allen Feldern passen, gerade etwa bei Google & Co. Ich glaube, dass der Zug schon weitgehend abgefahren ist, mit dem Kartellrecht grundlegend gegen Google vorzugehen.

STANDARD: Wer könnte das?

Thanner: Eine intensivere Kooperation und Koordination zwischen den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union, womöglich auch Asien, wäre sicher sinnvoll gewesen. Da wird es vernünftig sein, einen gemeinsamen Mechanismus zu finden, auch wenn die Rechtsvorschriften über Marktbeherrschung unterschiedlich sind.

STANDARD: Das heißt unter dem Strich aber: Sie haben keine Handhabe, keine Instrumente gegen Google?

Thanner: Wir haben eine Handhabe in konkreten Sach-Punkten. Wir haben ein Verfahren gegen Google eröffnet im Bereich der Werbeblocker. Konkret geht es hier um den Verdacht, dass Google in Zusammenarbeit mit Softwareunternehmen ein Geschäftsmodell entwickelt habe, wonach Google trotz installiertem Werbeblocker Werbung ungefiltert an die User bringen kann, während das anderen Medienunternehmen verwehrt bleibt. Es besteht daher der Verdacht, dass andere Unternehmen dadurch massiv beeinträchtigt werden, mit wirtschaftlichen Einbußen. Wenn es konkrete Missbräuche gibt, wie es da der Fall ist, kann man natürlich etwas unternehmen. Auch als kleine nationale Behörde eines kleinen EU-Landes schauen wir uns sehr wohl die Tätigkeit eines weltweit agierenden Internetkonzerns an. In diesem Fall ergab unsere Prüfung, was bestimmte Werbeblocker alles ausblenden und was sie durchlassen, einige bemerkenswerte Ergebnisse.

STANDARD: Vermutlich: Wer den Werbeblocker zahlt, kommt auch mit Werbung zum Konsumenten, die der eigentlich ausgeblendet dachte - und wer nicht, dem blendet der Blocker sogar Eigenwerbung auf der eigenen Seite aus, wie wir beim derStandard.at beobachten mussten.

Thanner: Wir haben uns die Methodik von Werbeblockern sehr genau in der Praxis angesehen und haben herausgefunden, dass es hier doch drastische Ungleichbehandlung gibt. Wir werden Google und den Werbeblocker-Betreiber mit unseren Ergebnissen konfrontieren und zur Stellungnahme auffordern. Wenn wir auch danach der Überzeugung bleiben, dass deren Praxis kartellrechtswidrig ist, dann gehen wir zum Kartellgericht. Punkt.

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STANDARD: Sie können ja - als eine von wenigen Kartellbehörden Europas - nicht selbst als erste Instanz entscheiden, sondern müssen immer zu Gericht ziehen.

Thanner: In Europa ist es üblich, dass die Wettbewerbsbehörden in erster Instanz selbst entscheiden - mit nur ganz wenigen Ausnahmen, zu denen Österreich zählt. Und nicht nur in diesem Punkt unterscheiden wir uns vom europäischen Standard: Es gibt schon ein Mahnschreiben der EU-Kommission, dass wir mehr Personal und mehr Budget brauchen. Selbst die Behörde in Zypern hat 40 Mitarbeiter - bei 700.000 Einwohnern, Albanien 30 bei knapp drei Millionen Einwohnern - und wir haben bei acht Millionen Einwohnern 36 Mitarbeiter, davon lediglich 22 Fachkräfte.

STANDARD: Und Sie wollen doppelt soviele Leute für doppelt soviele Hausdurchsuchungen und Bußgeldverfahren in doppelt sovielen Branchen?

Thanner: Mit mehr Personal könnten wir noch stärker solchen Verfahren vorbeugen - mit mehr Aufklärung und Prävention. In manchen Bereichen gibt es tradierte "gute Gewohnheiten", die nur leider mit der geltenden Rechtsordnung nicht in Einklang zu bringen sind. Da hilft vor allem viel Information, um solche Praktiken abzustellen und Verfahren vorzubeugen. Wir haben schon die nächste Aufklärungskampagne mit der Wirtschaftskammer vereinbart.

STANDARD: Die Übermacht von Google im Web dient klassischen Medien als Argument gegen rigide Regulierung in ihrem Bereich. Nach dem Motto: Gegen diese globalen Riesen sind wir doch kleine Fische, da müssen die Kartellgerichte und -behörden doch ein Auge zudrücken.

Thanner: Wir müssen Rechtsvorschriften vollziehen und unterliegen da parlamentarischer Kontrolle. Ich sehe nicht, dass man diese Rechtsvorschriften ändern müsste. Man muss einfach kartellrechtlich und wirtschaftspolitisch vernünftig vorgehen. Das geht nur im Dialog, mit einem gegenseitigen Grundverständnis. Wir stehen für fairen, freien und transparenten Wettbewerb, auch in hoch konzentrierten Sektoren wie dem klassischen Medienbereich. Das birgt für uns natürlich das Risiko, dass wir als Neinsager dastehen. Aber wir gehen nicht mit dem Holzhammer vor und verweigern uns nicht jedweder Lösung.

STANDARD: Das heißt, Sie drücken doch da oder dort ein Auge zu?

Thanner: Weitere Konzentration im Printsektor wird rechtlich nicht möglich sein. Das weiß die Branche, und das muss sie auch zur Kenntnis nehmen.

STANDARD: Weil die Funke-Gruppe an "Krone", "Kurier" und über den "Kurier" an der News-Gruppe beteiligt ist, spielte die Bundeswettbewerbsbehörde auch eine wesentliche Rolle beim Verkauf deutscher Zeitungen und Magazine des deutschen Springer-Verlags an die deutsche Funke-Gruppe. Ist der Fall für Sie nach Auflagen etwa über den Einfluss der Funke-Leute auf die News-Gruppe erledigt?

Thanner: Zwei Teile dieses Verfahrens - etwa über gemeinsame Vermarktung von Springer und Funke in Deutschland - werden auch von uns zu prüfen sein. Noch ist dazu nichts eingelangt, wir erwarten, dass das im Herbst auch bei uns schlagend wird.

STANDARD: ATV betreibt derzeit politisch sein Anliegen, dass österreichische Programme auf den vordersten Plätzen bei Satempfängern vorprogrammiert sein sollten. Eigentlich ist das ja eine Wettbewerbsfrage - ist das auch ein Thema für die BWB?

Thanner: Uns beschäftigt das Thema beim terrestrischen Antennenfernsehen DVB-T2.

STANDARD: Was haben Sie da zu klären?

Thanner: Da geht es um die Vorprogrammierung der Decoderboxen - und um eine Vielfalt der Anbieter, die für den Umstieg ja subventioniert werden. Die ORS hat sich da frühzeitig an uns gewandt, um das vorzeitig abzuklären.

STANDARD: Ein Medien-Wettbewerbsverfahren beschäftigt auch Ihre Behörde seit einigen Jahren: Im Herbst dürfte der Oberste Gerichtshof als zweite Instanz entscheiden, ob die erste zurecht befunden hat, dass die Wiener Linien auch anderen Zeitungen als "Heute" Entnahmeboxen in ihren Stationen erlauben müssen. Kenner der Materie sagen: eher unwahrscheinlich, dass die zweite Instanz anders entscheidet.

Thanner: Ich will und kann da keine Prognosen abgeben. Aber die erste Instanz hat ihre Entscheidung ziemlich gründlich argumentiert.

STANDARD: Die Moser Holding geht nach unseren Informationen wieder einmal gegen die Mediaprint vor wegen Kampfpreisen für Abos in Tirol. Sind Sie damit befasst?

Thanner: Das ist gerichtsanhängig. Da gibt es bisher nur einen ausgesprochen intensiven Austausch von Schriftstücken.

STANDARD: Da ist doch eine ganz schön lange Liste von Medienverfahren zusammengekommen - haben wir diese Liste durch?

Thanner: Nicht ganz: Wir hatten gerade mit dem STANDARD zu tun. Da geht es um eine Kooperation mit Titeln der Styria, eine Art Flatrate für E-Paper der beiden Medienhäuser.

STANDARD: Und die Behörde beurteilt das wie?

Thanner: Wir sehen derzeit keine kartellrechtlichen Bedenken gegen dieses Vorhaben. (Harald Fidler, DER STANDARD, 11.9.2014)