Im Kaunertal soll ein Pumpspeicherkraftwerk ausgebaut werden. Umweltschützer und Bauern schlagen Alarm.

Foto: Christoph Praxmarer

Innsbruck - Unberührte Natur, ein wildes Gewässer, darauf der Slogan: "Der Bach soll rauschen. Nicht der Verkehr." So sah vergangenes Jahr eines der Wahlplakate der Tiroler Grünen aus. Vermutlich nicht einmal der Spitzfindigste unter ihren Politstrategen hätte damals gedacht, dass sich diese beiden Forderungen einst bedingen - und für die künftige stellvertretende Landeshauptfrau Ingrid Felipe noch ziemlich unangenehm werden.

Nach einem Sturm an Kritik aus der grünen Bundespartei von Öko-Doyenne Freda Meissner-Blau und Rücktrittsaufforderungen sämtlicher Naturschutzorganisationen scheint Felipe nun selbst in Tirol der parteiinterne Rückhalt nicht mehr gewiss. "Ich kann natürlich nicht dafür garantieren, dass sie bis zum Ende der Legislaturperiode in ihrem derzeitigen Amt bleibt. Das ist Felipes Entscheidung", sagt Georg Willi, Landessprecher der Tiroler Grünen, auf Anfrage des STANDARD. Den Umweltorganisationen will er aber sagen: "Die beste Garantie für einen sorgsamen Umgang mit Tirols Natur ist die grüne Landesrätin Ingrid Felipe."

Sechs Wasserkraftwerke

Worum es geht: Im Juni hatte die schwarz-grüne Tiroler Landesregierung der Öffentlichkeit ein "Maßnahmenpaket" vorgestellt. Es umfasst einerseits die Einigung auf eine vorläufige Geschwindigkeitsbeschränkung von Tempo 100 auf einem Großteil des Tiroler Autobahnnetzes - ein Wunsch der Grünen. Der zweite Teil beschäftigt sich mit "Versorgungssicherheit". Konkret sollen sechs Wasserkraftwerke ausgebaut werden, davon zwei Pumpspeicherkraftwerke: Sellrain-Silz im Kühtai und eines im Kaunertal - auf Wunsch der Schwarzen.

Vor allem diese beiden Vorhaben stehen nun massiv unter Kritik. "Das Modell der Pumpspeicherkraftwerke ist überholt. In Deutschland und der Schweiz steigen Energiekonzerne aus solchen Projekten gerade aus. Nur die Tiwag baut", sagt Christoph Walder vom WWF. Alleineigentümer der Tiroler Wasserkraft AG (Tiwag) ist das Land Tirol.

Kritik aus eigenen Reihen

Vorerst ist nun Umweltminister Andrä Rupprechter (ÖVP) am Zug. Er hat von der Tiwag einen wasserwirtschaftlichen Rahmenplan erhalten, der sich mit dem Maßnahmenpaket der Regierung deckt, und könnte diesen nun verordnen. Bis Anfang dieser Woche erreichten ihn fast 50 - größtenteils negative - Stellungnahmen.

Besonders brisant: Bundeschefin Eva Glawischnig wie auch die von den Grünen selbst eingesetzte Tiwag-Aufsichtsrätin Regula Imhof haben die Möglichkeit genutzt und üben teils heftige Kritik an den Projekten und somit indirekt an der grünen Landesorganisation. Beide Schreiben liegen dem STANDARD vor. Imhof führt ökologische Bedenken an, hält "elementare rechtliche Fragen" für unbeantwortet und hinterfragt die Wirtschaftlichkeit in Bezugnahme auf internationale Studien.

Agrarier drohen mit Ausstieg aus Bauernbund

Doch auch die Tiroler Volkspartei sieht sich nun mit Kritikern aus den eigenen Reihen konfrontiert. Fast zwanzig Agrargemeinschaften im Ötztal fassten einstimmige Beschlüsse gegen die Ausbaupläne. Einige drohen mit dem Ausstieg aus dem Bauernbund. "Um Leitungen zu graben, müsste die Tiwag durch unser Land, das werden wir verteidigen", sagt Reinhard Scheiber, Obmann der Agrargemeinschaft Obergurgl. "Wenn es sein muss, mit Gabeln und Sensen." (Katharina Mittelstaedt, DER STANDARD, 12.9.2014)