Der Schwarzwälder Schäppel, ein aufwändig verziertes Krönchen, wandelt noch recht häufig durch Sankt Peter.

Foto: Dietmar Scherf

Beim Nato-Gipfel 2009 in Baden-Baden durften zwei Trachtenmädl aus Sankt Peter ihre Schäppel vorführen, dabei Angela Merkel und Barack Obama die Hände schütteln. "Nice to see you", sagte Obama, und seine Frau Michelle wollte einfach alles wissen über die Kopfbedeckung aus dem Schwarzwald.

Schäppel, abgeleitet vom französischen "châpeau", nennt sich jene Krone aus tausenden Perlen, Glassteinen und Silberplättchen, die Mädchen und Frauen ab der Erstkommunion bis zur Hochzeit an Festtagen in Sankt Peter tragen. Dazu gehören "Böschle", bunte Verzierungen im Haar, und "Livraien", in die Zöpfe eingebundene und bis zum Rocksaum reichende Seidenbänder. Einst demonstrierten die Frauen im Schwarzwald mit ihrem Kopfschmuck Reichtum - je wertvoller die Materialien, desto besser war die Partie. Alles klar, Frau Obama?

Alternative zum Müncher Oktoberfest

Die kleine Episode mit der First Family am Rande des Schwarzwalds scheint jedenfalls auch einigen Amerikaner gezeigt zu haben: Hey, da gibt es ja eine echte Alternative zum Münchner Oktoberfest, wo Trachtenträger nur im lauten Bierzelt hocken. Seither schauen recht viele Gäste aus den USA ins sehr beschauliche baden-württembergisch Sankt Peter.

"We just love it", sagt Lisa Sanderson aus Kalifornien, die mit ihrem Mann vor dem Café Martin in Sankt Peter sitzt und genüsslich ein Stück Schwarzwälder Kirschtorte verputzt. Der Bertoldsbrunnen plätschert und die Kirchenglocke schlägt zur vollen Stunde, ansonsten ist es ruhig in dem Dorf auf dem Plateau am Südhang des Berges Kandel.

Diese Amerikaner scheinen zu mögen, dass hier nichts los ist, und sie lieben die Leidenschaft der Einwohner, Traditionen zu pflegen. "The old world", nennt das Lisa Sanderson, genauso habe sie sich den Schwarzwald vorgestellt. Rings um den Luftkurort wechseln Wiesen mit Wäldern, führen Wege zu kleinen Kapellen und Bauernhäusern mit tief heruntergezogenem Walmdach.

Bilderpflege als Pflicht

Bereits 1950 entdeckten Filmemacher den Charme von Sankt Peter und drehten hier den legendären Heimatfilm "Schwarzwaldmädel" mit Sonja Ziemann und Paul Hörbiger. Dass obendrein die Trachtenkapelle des Orts mit dem Gründungsjahr 1810 zu den ältesten Musikvereinen Deutschlands gehört, macht es fast schon zur Verpflichtung, derlei traditionelle Bilder zu pflegen. "Brauchtum", heißt es in der Internetpräsentation der Gemeinde,"„schafft Sicherheit in einer Zeit geprägt von Hast und Orientierungslosigkeit."

Orientierung wird in Sankt Peter längst nicht nur in Vereinen geboten. Die Bewohner werfen sich auch so an vielen Feiertagen in Schale. Die Damen tragen dann einen Rock mit angenähtem Mieder, darüber Seidenschürze und Bluse mit Puffärmeln; die Herren: weißes Hemd, rote Weste, schwarze Hose und Jacke, am Revers Darstellungen von goldenen Petrusschlüsseln und einer Silbertanne. Bei Prozessionen sieht man Trachtenträger aller Altersklassen durch die "old world" wandern.

Schwarzwälder Gugelhupf

Traditionelles weiterzuentwickeln, gelang Johannes Ruf. Er ist der Chef der Holzofenbäckerei in Sankt Peter. Als seine Schwester in den USA lebte und er ihr als Gruß aus der Heimat Schwarzwälder Kirschtorte schicken wollte, forschte Ruf nach einem Rezept, um die Spezialität lange haltbar und robust für den Transport zu machen. Heraus kam etwas Gugelhupfähnliches, verpackt in einer Dose. Der Kuchen ohne Schlagobers aber mit einem ordentlichen Schuss Kirschschnaps ist mittlerweile ein Exportschlager.

Dass eine Trachtenträgerin mit Bollenhut das Etikett seiner Kuchendosen ziert, musste er als umsatzfördernden Kompromiss hinnehmen. Diese Kopfbedeckung, ein breitkrempiger Strohhut mit mehreren roten Wollknäueln drauf, gehört nicht nach Sankt Peter. Sie ist als Erkennungszeichen für den Schwarzwald in Amerika aber unverzichtbar. Frau Obama präferierte dennoch den Schäppel. (Dietmar Scherf, DER STANDARD, 13.9.2014)