Graz/Zürich - Selbstlosigkeit ist nicht allein dem Menschen vorbehalten, auch bei manchen Primatenarten kennt man altruistisches Verhalten. Eine Studie von Forschern der Universität Zürich und einem Zoologen der Uni Graz hat nun festgestellt, dass die gemeinschaftliche Aufzucht des Nachwuchses die evolutionäre Wurzel der Hilfsbereitschaft sein könnte.

Menschen und deren nächste Primaten-Verwandten, die Menschenaffen, verfügen über außerordentliche kognitive Fähigkeiten. Die meisten Menschenaffenarten handeln jedoch kaum altruistisch, während man bei anderen hingegen selbstloses Verhalten beobachten kann. Ein von der Universität Zürich geleitetes Forscherteam macht sich Gedanken über den Ursprung des sozialen Handelns und hat unter Mitwirkung von Adolf Heschl von der Uni Graz und dem steirischen Tierpark Herberstein Sozialverhalten bei verschiedenen Primatenarten untersucht. Die Ergebnisse wurden nun in der Fachzeitschrift "Nature Communications" veröffentlicht. Demnach ist die gemeinsame Jungenaufzucht der Schlüssel zur Geburt sozialen Verhaltens.

15 Primatenarten untersucht

"Wir präsentieren die Ergebnisse eines standardisierten Experimentes zu spontanem Sozialverhalten in 24 Gruppen von 15 verschiedenen Primatenarten, einschließlich des Menschen", so Heschl. Die Anthropologen der Uni Zürich und der Grazer Zoologe entwickelten eine Versuchsanordnung, die zeigen sollte, ob und welche Individuen der jeweiligen Primatenarten bereit sind, uneigennützig zu handeln und Futter für andere Gruppenmitglieder zu beschaffen, auch wenn sie selbst dabei leer ausgehen.

Weiters beobachteten sie Menschen-Kinder im Alter zwischen vier und sieben Jahren bei der Lösung der selben Aufgaben. Die Studie enthält u.a. auch Daten von im Tiergarten Herberstein gehaltenen Siamangs, einer zu den kleinen Menschenaffen zählenden Gibbonart, bei der die Väter nach dem ersten Jahr die Erziehung der Kinder übernehmen, wie Heschl schilderte.

Sporadischer Altruismus

In der Versuchsanordnung hätten diese laut Heschl "sehr sozial" gehandelt - wenn auch nicht so "hochgradig altruistisch", wie es die Zürcher Erstautorin und Anthropologin Judith Burkart den Menschen und goldenen Löwenäffchen zuscheibt. Während Menschen es den Gruppenmitgliedern nahezu immer ermöglichten, ans Futter zu kommen, taten das Schimpansen nur sporadisch. Bartmakaken, die noch dazu über hohe kognitive Fähigkeiten verfügen, trugen im Gegensatz dazu gar nichts dazu bei.

Als stärkster Faktor, den selbstlos handelnde Primaten und Menschen gemeinsam hatten, erkannten die Forscher bei der Analyse die gemeinsame Jungenaufzucht - also die Fürsorge durch viele Gruppenmitglieder. Sie vermuten, dass sich die kooperative Aufzucht bei unseren frühsten Vorfahren in Ostafrika entwickelt haben könnte, als sie erstmals die Savannenhabitate für sich eroberten. "Dort war der Erfolg einer selbstständigen Nahrungssuche durch den Nachwuchs von Anfang an stark reduziert", so Heschl. Wer jedoch auf Kooperation setzte, konnte überleben.

In einer Aufwärtsspirale habe die gegenseitige Hilfe "eine Kaskade an kognitiven Effekten über den Umweg von Sprache, Kollaboration und instruiertem Lernen" nach sich gezogen. Dies war wiederum die Basis dafür, dass sich die Möglichkeiten des Gehirns voll entfalten und der Mensch eine Ausnahmestellung erlangen konnte, wird vermutet. (APA/red, derStandard.at, 20. 9. 2014)