Supergirl auf der Wiesn: Gabriela Urabl setzt mit ihrem Label Dirndlherz auf Comic- und Pop-Art-Motive.

Foto: Dirndlherz

Modell "Skulls of Love".

Foto: Dirndlherz

Schrille Muster und Farben beim Afrikadirndl.

Foto: Klaus Pribernig Photography http://www.bilder.co.at

Lila, rosa, golden mit afrikanischen Prints ist das Dirndl, das Stefanie Kaiser gerade in Handarbeit hat, und das sind bei weitem nicht die mutigsten Farben, mit denen die Villacher Schneiderin momentan zu tun hat. Die 32-jährige Kärntnerin stellt mit farbenprächtigen Stoffen aus Tansania neu interpretierte Dirndlkleider her. Als Ein-Frau-Unternehmen versucht sie, gelassen auf die vielen Anfragen zu reagieren, die derzeit auf sie zukommen - der Herbst ist Kirtags- und Oktoberfestzeit.

Der Erfolg kam überraschend, wie Kaiser noch immer mit einer Spur Verwunderung sagt: Ein Foto-Post auf Facebook vom Prototyp ihrer neuen Kollektion, und die Idee machte die Runde. "Es war eigentlich nur ein Versuch, den ich aus Spaß gemacht habe." Hinter der ganzen Geschichte steckt ein simpler freundschaftlicher Tauschhandel über die Kontinente hinweg.

Kaisers Freundin, Martina Ressmann, seit über einem Jahr Entwicklungshelferin in Afrika, machte zufällig Bekanntschaft mit der tansanischen Designerin Anne Kiwia in Daressalam. Kiwia hat es schwer, in Afrika an manche Dinge zu kommen, die den Arbeitsalltag erleichtern. So war es auch mit einer Schneiderpuppe. Ressmann wusste Rat und fragte die befreundete Villacher Schneiderin, ob sie eine entbehren könnte - im Austausch gegen ein paar Bahnen afrikanischen Stoffs. Gesagt, getan: Die bunten Muster landeten in Villach und mit ihnen die Idee, ein Afrikadirndl zu kreieren.

Dirndl-Hype

Auch im traditionsbewussten Kärnten scheinen modebewusste Trägerinnen modernen Dirndlkleidern gegenüber aufgeschlossen zu sein. "Tracht und Dirndl sind zwei verschiedene Dinge", erklärt Kaiser. Erstere unterliegt sehr genauen regionalen Vorschriften, an denen sich nicht rütteln lässt, Zweiteres bietet Raum für Kreativität. Kaisers Version ist "extrem bunt, sehr gewagt, auffällig und soll die Persönlichkeit der Trägerin unterstreichen". Verarbeitet werden ausschließlich natürliche Materialien wie Baumwolle, Leinen oder Seide, keine Kunstfasern.

Das zeigt sich auch im Preis: Ab 650 Euro aufwärts ist ein Konfektionsdirndl zu haben, ab 850 Euro ein maßgeschneidertes. Insgesamt hat Kaiser heuer im Sommer schon zwölf Afrikadirndln produziert und für Aufsehen am Villacher Kirchtag gesorgt. Wer nicht zur Anprobe kommen kann, kann sich auch online eine Musterkarte zuschicken lassen und die Maße selber nehmen. Die Villacherin macht sowohl Konfektionsdirndln als auch Unikate. Für ein Kleid plant sie rund zwanzig Arbeitsstunden ein. Kaiser ist sich bewusst, dass sie nicht die Einzige ist, die Dirndlkleider neu interpretiert: "Ich beobachte einen Boom, seit zwei, drei Jahren machen das viele."

Das weiß auch Gabriela Urabl, die das Dirndl ebenfalls "entstauben wollte" und sich in Wien mit ihrem Label Dirndlherz selbstständig gemacht hat und seit 2010 ihren Showroom im achten Bezirk betreibt. Damals sei noch keine Rede von extravaganten Dirndln in Wien gewesen. Die ehemalige Grafikdesignerin mit eigener Agentur "wollte einem Kleidungsstück, das es schon gibt, neuen Äther einhauchen".

Urabl, mit einer Textildesignerin und Schneiderin als Mutter, hatte schon immer offene Augen für Mode: "In München fielen mir die witzigen Dirndln auf, mit denen die Trägerinnen in die Büros und Agenturen zur Arbeit gehen. Das ist dort ganz normal." So kam ihr die Idee mit den Pop-Dirndln: Supergirlmotive und "total verkitschte" Postkartenmotive wie Bambi und Enzian sind der neueste Streich. Damit will sie das Ländliche ein Stück weit ad absurdum führen. Ihre zweite Schiene für eine andere, eher klassische Klientel sind ihre Festtagsdirndln - die Luxusvariante mit Stickereien und Seidenbrokat.

Schwieriges Geschäft

Dennoch: Leistbar sind die Kreationen: Die einfachen aus Baumwolle sind ab 340 Euro zu haben, die festlichere Variante ab 480. "Ich gehe bewusst nicht über die 1000-Euro-Grenze, weil sich jeder ein Dirndl leisten können soll", erklärt Urabl. Sie steckte ihr eigenes Geld in den Aufbau ihres Labels und hatte Startschwierigkeiten: "Am Anfang wurden meine Dirndln nicht so leicht angenommen." Urabl musste nebenbei Grafikaufträge annehmen. Der Erfolg hat sich erst in den vergangenen zwei, drei Jahren eingestellt. "Es ist aber Tag für Tag harte Arbeit, und ich stehe selbst im Geschäft."

Eine, für die der Dirndl-Boom wieder abgeflaut ist, ist Charlotte Dichtl. Die Psychologin gründete 2012 neben ihrem Brotjob das Label NeuDirndl und erfuhr einige Monate einen regelrechten Hype. So sehr, dass sie sogar überlegte, ein zweites Geschäft aufzumachen. Die Idee: ihre Schnitte aus Trachtenstoff mit Accessoires wie Gürteln und Stolas so zu kombinieren, dass sie in die Alltagsgarderobe integrierbar sind.

Doch so plötzlich die Nachfrage kam, so schnell flaute sie ab. Mittlerweile verkauft Dichtl nur mehr einen Restbestand in der Schneiderei Lechleitner in Linz. "Ein Fehler war mein Qualitätsanspruch", resümiert die Oberösterreicherin, die nur Stoff aus Bad Aussee verarbeiten ließ. Möglicherweise sei das Umfeld in Linz zu ländlich gewesen, weil die Leute lieber zur traditionellen Tracht greifen würden.

Für Stefanie Kaiser geht es dagegen erst richtig los: Seit vergangener Woche hat sich mit wear-from.com ein neuer Vertriebskanal aufgetan. Geplant sind auch zu den Dirndln passende Teile für Männer. Stoff aus Afrika ist genug da. Und sollte der ausgehen, auch keine Tragödie, weil Kaiser im Winter nach Tansania fahren will, um dort mit den afrikanischen Kolleginnen zu schneidern und eventuell auf der Swahili Fashion Week auszustellen. (Marietta Adenberger, Rondo, DER STANDARD, 19.9.2014)