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Ein jemenitischer Soldat in der Peripherie der Hauptstadt Sanaa. Dort herrscht Hochspannung, seitdem die Huthis und ihre Anhänger ihre Protestcamps gegen die Regierungspolitik von Präsident Hadi errichtet haben. Die Demonstranten beschuldigen die Armee, scharf zu schießen, diese weist das zurück.

Foto: EPA/YAHYA ARHAB

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Demonstration zum Freitagsgebet in Sanaa.

Foto: Reuters/Al-Sayaghi

Sanaa/Wien - Im Jemen versuchen seit Samstag die Konfliktparteien - korrekter: zwei der vielen Konfliktparteien - die Lunte zu löschen, die seit Wochen in der Hauptstadt Sanaa brennt: Präsident Abd Rabbo Mansur Hadi verhandelt mit den Huthis.

Deren seit 2004 periodisch ausbrechender, aber früher im Wesentlichen auf ihre Kernregion, die nördliche Provinz Saada, begrenzter Aufstand hat sich seit Juli zu einer Bewegung von nationaler Relevanz entwickelt. Das Potenzial schuf die - beinahe bankrotte - Regierung, indem sie die Benzinpreisstützungen strich. Seitdem ruft Rebellenführer Abdulmalik al-Huthi periodisch zur "revolutionären Eskalation" auf, zum dritten Mal am 8. September.

Dieses Video stammt aus Sanaa im Yemen und zeigt Kämpfe aus der Ferne.
Storyful, YouTube/SunnaYemen

Einigungen in Gefahr

Die Huthis, auch Ansar Allah genannt, und ihre Anhänger haben in und um Sanaa Protestcamps errichtet und bedrohen staatliche Einrichtungen. Es kam zu Gewalt mit Toten. Ein Kompromissvorschlag Hadis, der eine teilweise Rücknahme der Sparmaßnahmen und eine Regierungsbeteiligung der Huthis vorsah, verlief Anfang September im Sand.

Gleichzeitig gibt es Berichte über eine zunehmende Präsenz von Al-Kaida in Sanaa: Sie profitiert wie immer vom Sicherheitsvakuum, und auch der woanders so erfolgreiche "Islamische Staat" wird das tun. Wenn Sanaa explodiert, wird das auch die Versuche, den zur Sezession tendierenden Süden wieder einzubinden, stoppen. Das heißt: Die Umsetzung der Ergebnisse der Nationalen Dialogkonferenz, die eine Verfassungsschreibung und anschließende Wahlen vorsieht, ist in Gefahr.

Vorwürfe an Teheran

Der Konflikt im Jemen ist aber auch ein Schauplatz der iranisch-saudischen Auseinandersetzung und hat regionale Bedeutung. Die Huthis - das ist der Name eines Clans - sind Zaiditen, und die Zaidiya ist ein Zweig der Schia: Deshalb wird der Iran seit Jahren beschuldigt, aus den Huthis nach libanesischem Modell eine "Hisbollah auf der arabischen Halbinsel" kreieren zu wollen und sie deshalb militärisch zu unterstützen. Damit im Zusammenhang steht etwa auch der saudische Druck auf den Sudan, sich vom Iran zu distanzieren: Die Huthis sollen von Port Sudan aus iranische Lieferungen erhalten haben.

Restaurationsgelüste

Die Zaiditen haben bis zur Revolution 1962 im Nordjemen die herrschende Dynastie gestellt, ihnen werden Restaurationsgelüste nachgesagt. Ein anderer Vorwurf lautet "Konfessionalismus": Wobei die Zaiditen, wegen ihrer Abspaltung von der größten Gruppe der Schia beim 5. Imam auch "5er-Schiiten" genannt, jedoch immer unter Sunniten gelebt haben und ihnen deshalb dogmatisch nahestehen. Zur Entfremdung zwischen jemenitischen Sunniten und Zaiditen hat auch der aus Saudi-Arabien exportierte Wahhabismus beigetragen.

Die die Transition im Jemen unterstützende G-10 bzw. die "zehn Botschafter" (die eigentlich elf sind: die fünf Vetomächte im Uno-Sicherheitsrat, die Golfkooperationsstaaten außer Katar, sowie die EU) machten in einem Statement am Wochenende die Huthis für die jüngste Eskalation verantwortlich. Sie müssten sich auch aus dem im Juli eroberten Amran - ein militärischer Durchbruch für die Rebellen, die seither den Norden fast komplett kontrollieren - zurückziehen.

Der Vormarsch der Huthis reflektiert eine überraschende Verschiebung der Machtverhältnisse, die auch mit Riads Anti-Muslimbrüderpolitik zu tun hat. Die aus dem Muslimbrüder-Umkreis kommende Islah-Partei und ihre tribalen Verbündeten, die die großen Gewinner des Abgangs von Langzeitpräsident Ali Abdullah Saleh waren, können nicht mehr wie früher auf saudische Unterstützung zählen. Islah wird in einer zukünftigen Ordnung die Macht teilen müssen. Ein anderer Player, Salehs früherer Verbündeter und späterer Gegenspieler General Ali Mohsen al-Ahmar, ist durch Hadis Revirements in der Armee weitgehend entmachtet.

Profiteur Saleh

Obwohl Saleh den Krieg gegen die Huthis begann, die damals gegen seine Kooperation mit den USA im "war on terror" opponierten, ist er nun ein Gewinner des Huthi-Aufschwungs. Saleh ist ursprünglich Zaidit, allerdings aus einer als minder angesehenen Linie. Viele der neuen Unterstützer der Huthis - also jene, die sich ihrer derzeitigen Regierungskritik angeschlossen haben - sollen aus Salehs Umfeld stammen.

Ein jemenitischer Soldat in der Peripherie der Hauptstadt Sanaa. Dort herrscht Hochspannung, seitdem die Huthis und ihre Anhänger ihre Protestcamps gegen die Regierungspolitik von Präsident Hadi errichtet haben. Die Demonstranten beschuldigen die Armee, scharf zu schießen, diese weist das zurück. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 17.9.2014)