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Polizeibeamte foltern routinemäßig in Nigeria.

Foto: AP Photo

Sie werden "Tempel" oder "Theater" genannt und befinden sich in vielen Polizeistationen Nigerias: Folterkammern. Obwohl das Land Mitglied internationaler Vereinbarungen gegen Folter ist und die Verfassung das Quälen verbietet, gibt es noch immer kein nationales Gesetz, das diese Praxis unter Strafe stellt.

Sieben Jahre lang untersuchte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International die Situation vor Ort, führte hunderte Interviews mit Betroffenen und Beteiligten und dokumentierte zwölf Foltermethoden, die von den nigerianischen Behörden angewandt werden. Das Ergebnis: Foltern und Quälen von Gefangenen sind Routine in der Arbeit der nigerianischen Polizei, die zu diesem Zweck oft auch einen eigenen Beamten im Dienst hat.

Glasscherben, kaltes Wasser, geschmolzenes Plastik

Seit Beginn der Militäroperationen gegen die bewaffneten Terroristen von Boko Haram im Jahr 2009 sollen zwischen 5.000 und 10.000 Personen unter Terrorverdacht von der Polizei festgenommen worden sein und ein Großteil von ihnen gefoltert. So auch Musa, dessen Zeugenaussage Amnesty International in den Bericht aufgenommen hat.

Soldaten der nigerianischen Armee nahmen Musa gemeinsam mit rund 180 weiteren Personen fest. Zusammen mit sechs anderen Männer wurde er anschließend in ein Loch im Boden geworfen, in dem bereits vier Personen standen. Der Boden war mit Glasscherben übersät, die Gefangenen mussten barfuß darauf stehen. Drei Tage lang ließ man Musa in dem Loch, er wurde abwechselnd mit kaltem Wasser und geschmolzenem Plastik übergossen. Anschließend brachten ihn die Peiniger in ein weiteres Folterlager, bevor man ihn ohne Verurteilung wieder entließ. Er flüchtete aus seinem Dorf, weil er eine weitere Verhaftung fürchtete.

Kein Einzelfall

So wie Musa berichten etwa 500 weitere Betroffene von den Foltermethoden der nigerianischen Behörden. Sie wurden mit Säure übergossen, Frauen wurde Pfefferspray in die Vagina gesprüht, oder ihnen wurden Finger- und Zehennägel gezogen. Obwohl Folter nach internationalem Recht verboten ist, wurde laut Amnesty gegen die Verantwortlichen in Nigeria in den meisten Fällen nicht ermittelt. Wenn eine Untersuchung eingeleitet wurde, dann meist nur intern und ohne Folgen für die Verdächtigen. Nationale Gesetze, um den menschenrechtswidrigen Praktiken Einhalt zu gebieten, werden seit zwei Jahren im Parlament blockiert.

Einen Grund, warum Folter im Polizeiapparat so tief verwurzelt ist, sieht die Menschenrechtsorganisation in der schlechten Ausbildung der Polizeibeamten. Oft würden Verdächtige noch vor gründlichen Ermittlungen festgenommen und Geständnisse durch Quälen erzwungen. Anwälte berichten davon, dass diese vor Gericht oft der einzige Beweis der Schuld von Verdächtigen sind. Auch die weitverbreitete Korruption unter den Beamten lässt die illegale Praxis fortbestehen. Können Gefangene das Schmiergeld nicht bezahlen, werden sie gefoltert – ohne Kontakt zu Anwälten, Familienmitgliedern und ärztlichem Personal.

Amnesty hält zudem fest, dass, obwohl in manchen Teilen Nigerias der Notstand ausgerufen wurde, Folter niemals zu rechtfertigen sei, und fordert die Führung des Landes auf, das Quälen von Menschen endlich unter Strafe zu stellen. (Bianca Blei, derStandard.at, 18.9.2014)