Damit hatte Tomás Simkovic nicht gerechnet. Der 27-jährige Österreicher weilte vergangenen Winter mit der Wiener Austria auf einem Trainingslager in der Türkei, als er von einem Vertreter des kasachischen Klubs Tobol Kostanay angesprochen wurde. "Ich war überrascht und sogar ein wenig schockiert", sagt Simkovic. Neun Monate später hat er sich in der 300.000 Einwohner zählenden Stadt unweit der russischen Grenze nicht nur sportlich eingelebt: "Es ist hier sicher nicht so schlimm, wie die meisten Österreicher glauben." Vor seinem Wechsel wusste auch Simkovic wenig über Kasachstan und noch weniger über den dortigen Profifußball. Also machte sich der gebürtige Slowake bei den ansässigen Legionären schlau und bekam nichts zu hören, was ihn "von einem Transfer abgehalten hätte". Dass der Verein intensiv um ihn geworben hatte, war wichtig. Dass seine Ehefrau einverstanden war, entscheidend: "Die Familie steht über allem."
Simkovic gehört wie die ÖFB-Teamspieler Zlatko Junuzovic, Rubin Okotie oder Martin Harnik zu jener Generation österreichischer Kicker, die 2007 bei der U20-Weltmeisterschaft den vierten Platz belegte. Nachdem er in der Frank-Stronach-Akademie Hollabrunn ausgebildet worden war, führte sein Weg über Schwanenstadt und den SC Wiener Neustadt zurück zur Austria. In Wien-Favoriten feierte Simkovic seine größten sportliche Erfolge: "Wir waren Meister und sind in die Champions League vorgestoßen. Wir haben alles erreicht, es war eine wunderschöne Zeit. Nur den Cupsieg haben wir leider ausgelassen." Vor der Winterpause erfuhr der Mittelfeldspieler, dass die Austria auf seine Dienste künftig verzichten könne. Zunächst sei das natürlich enttäuschend gewesen, aber Simkovic gibt sich ohnedies keinen Illusionen hin: "Das ist im Fußball eben so."
"Sonst bleibt man über"
Zieht es einen Spieler in die Ferne, spielt oft auch das Geld eine Rolle. Simkovic möchte dem gar nicht widersprechen: "Das Angebot war finanziell attraktiv." Eine vernünftige Lebensplanung sei für einen Profi-Fußballer unverzichtbar. "Man kann als Fußballer nicht ewig Geld verdienen. Man muss etwas auf die Seite legen, sonst bleibt man über. Und ich lebe nicht nur für mich selbst", sagt der Familienvater. Ein Verbleib bei der Austria wäre riskant gewesen: "Mein Vertrag wäre zwar noch ein halbes Jahr gelaufen, aber was, wenn ich nicht mehr zum Einsatz komme? Dann wird es in Zeiten wie diesen noch schwieriger, einen Verein zu finden." Die Entscheidung für Tobol Kostanay sei auch rückblickend kein Fehler gewesen: "Ich würde es ein zweites Mal nicht anders machen. Ich fühle mich wohl."
Fünf Tore und drei Vorlagen in der laufenden Saison tragen entscheidend zum Wohlbefinden bei: "Individuell läuft es für mich sehr gut. Ich habe schon lose Anfragen von anderen Vereinen bekommen. Aber leider kämpfen wir derzeit gegen den Abstieg." Als Simkovic verpflichtet wurde, gaben Sportdirektor und Präsident noch die vorderen Plätze in der Premjer-Liga als Ziel aus, geworden sind es das Abstiegs-Playoff und ein Trainerwechsel. Die Enttäuschung beim kasachischen Meister von 2010 sitzt tief. Das Zentralstadion bietet 8.300 Zusehern Platz, zuletzt fanden sich kaum mehr als 3.000 zu den Heimspielen ein. Und die gehen es in puncto Unterstützung eher gemütlich an: "Sie kommen, schauen, applaudieren, pfeifen. Ein richtiges Anfeuern gibt es nicht." Dafür kann der Vereinspräsident umso emotionaler werden: "Er kommt mit drei Bodyguards in die Kabine. Wenn wir verlieren, ist er schlecht aufgelegt. Zuletzt war das mehr die Regel als eine Ausnahme."
Kampfbetontes Spiel
Sportlich möchte Simkovic die kasachische Liga nicht unterschätzt wissen: "Die besten Vereine könnten auch in der österreichischen Bundesliga mitspielen." Taktischen Defiziten stünden ein kampfbetonteres Spiel gegenüber. International könne man bereits den einen oder anderen Achtungserfolg verbuchen. Mit Schachtjor Qaraghandy zog in der Vorsaison erstmals ein Verein in die Gruppenphase der Europa League ein. Bis 2015 läuft Simkovic' Vertrag, die Zeit will er nutzen, "um sich als Mensch weiterzuentwickeln". Das Leben in Kasachstan sei eine neue Erfahrung, wenn auch mit kleinen Schwierigkeiten verbunden: "Ich beherrsche die russische Sprache ganz gut. Trotzdem bekomme ich im Restaurant nicht immer das, was ich bestellt habe. Egal, es schmeckt ja trotzdem." (Philip Bauer, derStandard.at, 19.9.2014)