Der Master of Ceremony

Cambridge, Massachusetts - Die ehrwürdigen Nobelpreise werden Anfang Oktober vergeben. Das, was viele als heimlichen Höhepunkt des Wissenschaftsjahres betrachten, hat indessen bereits stattgefunden: In der Nacht auf Freitag wurden an der Harvard-Universität die traditionellen Ig-Nobelpreise für die skurrilsten Forschungsergebnisse des Jahres vergeben. Dahinter steckt Marc Abrahams, Herausgeber des satirischen Wissenschaftsmagazins "Annals of Improbable Research", der auch als MC der Ig-Nobel-Gala auftritt. Hier präsentiert er die Trophäe, deren Design heuer von der Geschirrausgabe in einer Mensa inspiriert war.

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Der Gedanke dahinter

Um Missverständnissen vorzubeugen: Das natürlich in Anspielung auf die Nobelpreise gewählte Wort "ignoble" bedeutet wörtlich übersetzt zwar "unwürdig". Dennoch geht es bei den Preisen nicht darum, Forschungsarbeiten zu schmähen oder Forschende bloßzustellen. Vielmehr wollen die Ig-Nobel-Verantwortlichen "das Ungewöhnliche feiern und das Fantasievolle ehren" und Forschung belohnen, die "erst zum Lachen und dann zum Denken anregt". Und das in unverwechselbar ironischer Weise, was sich auch im Rahmenprogramm niederschlägt: Hier bieten Bariton Scott Taylor und Sopranistin Maria Ferrante zusammen mit einem "Mikroben-Chor" die Mini-Oper "What's Eating You" dar.

Foto: reuters/Brian Snyder

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Arktisforschung

Die Preiskategorien sind relativ frei fließend - je nachdem, in welchem Bereich sich im vergangenen Jahr Erstaunliches getan hat. So entfiel heuer zwar der traditionelle Friedens-Ig-Nobelpreis. Dafür gab es zur Abwechslung mal einen Preis für Arktisforschung. Der ging an das norwegische Team Eigil Reimers und Sindre Eftestøl (beide bei der Gala anwesend). Sie hatten untersucht, wie sich Rentiere verhalten, wenn sie von Forschern beobachtet werden, die sich als Eisbären kostümiert haben. Kurz zusammengefasst: Sie sind dann deutlich vorsichtiger, als wenn man Wanderkleidung trägt.

Abstract
Arctic, Antarctic, and Alpine Research: "Response Behaviors of Svalbard Reindeer Towards Humans and Humans Disguised as Polar Bears on Edgeøya"

Foto: reuters/Brian Snyder

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Neurowissenschaften

Jesus als Brandfleck auf einer Toastscheibe oder die Jungfrau Maria als Marmeladenfleck: Manifestationen dieser Art sind mittlerweile derart fest im Popkulturgut verankert, dass sie bereits parodiert werden, wie dieses Bild von Ex-Papst Benedikt XVI. auf geröstetem Brot zeigt. Die "echte" Variante - also ohne dass jemand nachgeholfen hat - dieses Pareidolie genannten Phänomens hat ein chinesisch-kanadisches Forschungsteam näher untersucht. Es kam zum Schluss, dass unser Gehirn so stark auf das Erkennen von Gesichtern konditioniert ist, dass selbst das vagste Muster ausreicht, uns ein Gesicht sehen zu lassen.

Abstract
Cortex: "Seeing Jesus in toast: Neural and behavioral correlates of face pareidolia"

Foto: APA/dpa

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Medizin

Wir bleiben quasi-kulinarisch. Wiederkehrendes Nasenbluten kann überaus lästig und sogar gefährlich sein. Eine verblüffende Behandlungsmethode - hier demonstriert von "Majordomo" Dryfoos - beschrieben Forscher aus den USA und Indien: Man stopfe sich Streifen von Schweinefleisch in die Nase. Die nun mit dem Medizin-Ig-Nobelpreis ausgezeichneten Forscher waren nämlich durch einen "speziellen Fall" auf diese Methode aufmerksam gemacht worden: Sie war bei einem Kind, bei dem alle herkömmlichen Methoden versagt hatten, angewandt worden - mit Erfolg und ohne Nebenwirkungen.

Abstract
PubMed: "Nasal packing with strips of cured pork as treatment for uncontrollable epistaxis in a patient with Glanzmann thrombasthenia"

Foto: REUTERS/Brian Snyder

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Physik

Stellvertretend für sein Team präsentiert hier der japanische Wissenschafter Kiyoshi Mabuchi noch einmal die Ergebnisse, die den Physik-Ig-Nobelpreis eingefahren haben: Untersucht wurde die Gefährlichkeit von Bananenschalen, indem die Reibung zwischen der Schale und einer darauf tretenden Schuhsohle exakt gemessen wurde. Als "landestypisches" Versuchsobjekt dient hier Godzilla, zu dem es heuer übrigens noch andere interessante physikalische Forschungsergebnisse gab - zum Beispiel dass das Riesenmonster durchaus in der Lage wäre Schlittschuh zu laufen.

Abstract
Tribology Online: "Frictional Coefficient under Banana Skin"

Foto: Reuters/Brian Snyder

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Biologie

Schon unter dem Jahr hatte eine Studie für Schlagzeilen gesorgt, die mit der Meinung aufräumte, Hunde würden ihr Geschäft verrichten, wie und wo ihnen danach ist. Nein - sie richten sich dabei bevorzugt nach dem Erdmagnetfeld aus. Für diese Erkenntnis (und die ausdauernde Beobachtungstätigkeit, die es ermöglichte) erhielt ein gemischtes Forschungsteam aus Tschechien, Deutschland und Sambia den Biologie-Ig-Nobelpreis. Preisträgerin Sabine Begall verteilte nach ihrer Dankesrede Plastiksackerl für Hundekot im Publikum.

Abstract
Frontiers in Zoology: "Dogs are sensitive to small variations of the Earth’s magnetic field"

Foto: APA/EPA/JASON SZENES

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Öffentliche Gesundheit

Und um vom Hund gleich auf die Katze zu kommen: Kann des Menschen zweites Lieblingshaustier seine geistige Gesundheit gefährden? Dafür wurden gleich drei Studien von Forschern aus Tschechien, Japan, Indien und den USA ausgezeichnet. Im Fokus standen unter anderem vermutete Zusammenhänge zwischen der Katzenkrankheit Toxoplasmose und Persönlichkeitsveränderungen bei Katzenbesitzern sowie zwischen Katzenbissen und Depression. Der humoristischen Ausrichtung der Gala zum Trotz kommen alle drei mehr oder weniger zum Schluss, dass solche Zusammenhänge nicht ganz ausgeschlossen werden können und zumindest weiter untersucht werden sollten.

Abstracts

Foto: REUTERS/Shamil Zhumatov KAZAKHSTAN

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Ernährungswissenschaften

Nicht nur aktuelle und ehemalige Ig-Nobel-Laureaten besuchen die Gala gerne. Auch waschechte Nobelpreisträger sind Jahr für Jahr zu Gast - wie hier Eric Maskin (links) und Richard Roberts; ersterer 2007 mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet, zweiterer 1993 mit dem Preis für Medizin. Sie verkosten gerade Würstchen mit besonderer Entstehungsgeschichte: Ein spanisches Forscherteam testete für die Wurstproduktion nämlich eine Methode, mit der probiotische Bakterien aus dem Kot von Kindern gewonnen werden sollen.

Abstract
Food Microbiology: "Characterization of Lactic Acid Bacteria Isolated from Infant Faeces as Potential Probiotic Starter Cultures for Fermented Sausages"

Foto: Reuters/Brian Snyder

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Ökonomie

Der Wirtschafts-Ig-Nobelpreis ging an das staatliche Statistik-Institut Italiens für seine Vorreiterrolle in der Umsetzung der Idee, dass Einkünfte aus Prostitution, Drogenhandel und Schmuggel ebenfalls ins Bruttoinlandsprodukt einbezogen werden müssen. Während die meisten Preisträger es sich nicht nehmen lassen, sich ihre Trophäe auf der Gala persönlich abzuholen, ließ sich leider kein offizieller Vertreter Roms blicken. Das Saalpublikum ließ derweil Papierflieger auf die Bühne regnen - auch das ist ein traditioneller Bestandteil der Ig-Nobel-Feierlichkeiten.

Nachlese
"Statistik: Wie das Kondom ins BIP schlüpft"

Foto: reuters/Brian Snyder

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Psychologie

Niemand findet Morgenmenschen sympathisch, und Spätaufsteher sind sowieso viel entspanntere Zeitgenossen. Wahr? Nein, sagt ein Team von Forschern aus Australien, Großbritannien und den USA. Sie sind zum Ergebnis gekommen, dass Nachteulen im Schnitt selbstverliebter, manipulativer und tendenziell psychopathischer sind als frühe Vögel - dafür gab es den Ig-Nobelpreis für Psychologie.

Abstract
Personality and Individual Differences: "Creatures of the night: Chronotypes and the Dark Triad traits"

Foto: APA/Pfarrhofer

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Kunst

Und während sich hier "Minordomo" Todd zusammen mit dem Erfinder und ehemaligen Ig-Nobel-Laureaten Yoshiro Nakamatsu an einem Selfie versucht, ist noch ein letzter Preis zu vermelden. Der dreht sich ebenfalls um Bilder: Ein Forschertrio aus Italien ließ Versuchspersonen Bilder betrachten und traktierte sie währenddessen mit einem Laserstrahl, um herauszufinden, ob sich der Schmerz bei schönen oder hässlichen Bildern intensiver anfühlt. Das Resultat: Wer Schönheit vor Augen hat, fühlt weniger Schmerz - ein nahezu poetisches Ergebnis, das den Ig-Nobelpreis für Kunst erhielt und einen würdigen Abschluss bildet. (jdo, derStandard.at, 19. 9. 2014)

Abstract
Consciousness and Cognition: "Aesthetic value of paintings affects pain thresholds"

Foto: Reuters/Brian Snyder