Nijmegen - Bei Autismus handelt es sich um eine Entwicklungsstörung des Gehirns, die zu Schwächen in sozialer Interaktion und Kommunikation führt. Während ein Drittel der Betroffenen keine Lautsprache entwickelt, können andere Autisten fließend sprechen, haben jedoch Schwierigkeiten, wenn es darum geht eine Konversation aufrecht zu erhalten oder nicht wörtlich gemeinte Äußerungen korrekt zu interpretieren.

Die genetische Ursache dieser Erkrankung ist komplex, sie lässt sich nicht auf einzelne Faktoren zurückführen. Manche Menschen sind durch vererbte genetische Varianten möglicherweise einem höheren Erkrankungsrisiko ausgesetzt. Forschungsergebnisse der vergangenen Jahre haben jedoch gezeigt, dass schwere Fälle von Autismus durch neue Mutationen verursacht werden können, die im Spermium oder in der Eizelle auftreten. Diese genetischen Varianten treten im Kind auf, nicht jedoch in dessen Eltern.

Schlüsselgen TBR1

Forscher haben dazu das Erbgut von tausenden nicht miteinander verwandten Kindern mit schwerem Autismus entschlüsselt und herausgefunden, dass einige wenige Gene von unabhängigen neuen Mutationen betroffen sein können. Von besonderem Interesse ist hierbei das sogenannte TBR1-Gen, das bei der Hirnentwicklung eine Schlüsselrolle spielt.

Forscher des Max-Planck-Instituts für Psycholinguistik im niederländischen Nijmegen berichten nun, dass durch Mutationen von TBR1 in hochgradig autistischen Kindern das zugehörige Protein nicht mehr richtig funktioniert. In ihrer Studie im Fachblatt "Nature Communications" haben die Forscher untersucht, wie sich Mutationen, die das Risiko von Autismus erhöhen, auf die Funktion des TBR1-Proteins auswirken.

"Wir stellten fest, dass die neuen Mutationen weitaus dramatischere Auswirkungen auf die Funktion des TBR1-Proteins haben als die vererbten Mutationen", sagt Erstautorin Pelagia Deriziotis. "Ein klarer Beweis für den starken Einfluss, den sie auf die frühkindliche Hirnentwicklung haben können."

Zusammenhang mit Sprachstörungen

Die Funktion des Gehirns hängt vom Zusammenspiel verschiedener Gene und Proteine ab. Man könne das Gehirn als eine Art soziales Netzwerk für Proteine betrachten, so Deriziotis. "Es gab Anzeichen dafür, dass TBR1 mit einem Protein namens FOXP2 zusammenhängen könnte. Das ist faszinierend, denn FOXP2 ist eines der wenigen Gene, die eindeutig mit Sprachstörungen in Verbindung gebracht werden."

Die Forscher fanden in Folge nicht nur heraus, dass TBR1 direkt mit FOXP2 interagiert, sondern auch, dass diese Interaktion nicht mehr funktioniert, wenn eine dieser beiden Proteine eine Mutation aufweist; ein wichtiger Ansatz in der weiteren Erforschung tiefgreifender Entwicklungsstörungen. (red, derStandard.at, 23.9.2014)