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Blackberry-Chef John Chen mit einem Passport

Foto: AP

Im vergangenen Monat überraschte der Blackberry-Chef John Chen seine wenig verwöhnten Mitarbeiter mit einer vielversprechenden Ankündigung. Die harten Jahre der Entlassungen und empfindlichen Einschnitte seien nun vorüber, ließ der Boss des kanadischen Mobilfunkgeräteherstellers seine Belegschaft in einer internen Mitteilung wissen. Die Firma werde sich nach Zukäufen umsehen, schrieb er.

Es war das jüngste Erfolgssignal des Chief Executive, der vor weniger als einem Jahr die Zügel bei dem kanadischen Smartphone-Produzenten übernommen hatte. Damals hatten sich die Verluste der Firma immer höher getürmt und die Umsätze waren zusehends geschrumpft. Mittlerweile zeigt sein Plan, sich aus dem umkämpften Verbrauchermarkt zurückzuziehen, erste Ergebnisse. Nachdem der Hersteller des einst weltweit dominierenden Smartphones über Jahre hinweg Marktanteile an Apple und Samsung verloren hatte, nimmt der neue Auftritt von Blackberry als Anbieter sicherer Smartphone-Technologien für die Unternehmensmärkte Gestalt an.

Neues Modell

Die Kanadier werden bei ihrem Umbau jedoch nicht völlig auf das Hardware-Geschäft verzichten. Bereits am 24. September soll ein neues Modell mit physischer Tastatur und quadratischem Bildschirm namens Passport vorgestellt werden. Allerdings hat die Firma die Produktion der Geräte ausgelagert und sich von den Konsumentenmärkten weitgehend abgekehrt. Die neuen Produkte zielen vor allem auf geschäftliche Nutzer ab.

Chens Strategie konzentriert sich darauf, mit neuen Software-Diensten mehr Gewinne aus dem Geschäft mit der mobilen Sicherheit zu schlagen, das höhere Margen aufweist. Wenn er mit seiner Neuausrichtung von Blackberry Erfolg hat, wird er das zum Teil auch seinen Erfahrungen zu verdanken haben, die er bei Sybase sammeln konnte. Für die einst unrentable kalifornische Firma, die im Jahr 2010 für 5,8 Milliarden Dollar an die baden-württembergische SAP verkauft wurde, hatte er 13 Jahre lang gearbeitet.

Seit dem Amtsantritt von Chen im November des vergangenen Jahres haben die Aktien von Blackberry einen kräftigen Aufschwung vollzogen. Die Papiere kletterten um 68 Prozent auf 10,89 US-Dollar. Allerdings liegen sie damit immer noch um 87 Prozent unter dem Niveau, das sie vor fünf Jahren erreicht hatten. Die Firma schreibt nach wie vor beträchtliche Verluste, auch wenn Analysten davon ausgehen, dass sie sich verringern werden.

Strategisch wichtige Zukäufe

Das sagt mir, dass das Schiff zwar eine Kehrtwende hinlegt, das Ganze sich aber noch lang hinziehen wird", urteilt Robert McWhirter, Chef von Selective Asset Management in Toronto. McWhirter hatte sich zuletzt vor drei Jahren bei Blackberry-Titeln engagiert.

Bei Sybase habe sich Chen auf kleinere, aber strategisch wichtige Zukäufe verlegt und bei den Ergebnissen die Erwartungen übertroffen, berichten frühere Arbeitskollegen. Die kleinen Transaktionen führten im Jahr 2006 dann zu einer riskanteren Wette auf das Geschäft mit Kurznachrichten. Chen kaufte Mobile 365 und zementierte mit dem Griff seinen Ruf als Sanierer krisengefährdeter Unternehmen.

Er habe sich zu diesem Geschäft erst entschlossen, nachdem Sybase Gewinne schrieb und über die nötigen liquiden Mittel für den Kauf verfügte, berichtete Chen jüngst in einem Interview. "Ich erinnere mich noch daran, wie ich mich mit meinem Finanzvorstand hingesetzt und gesagt habe: 'Selbst wenn ich diese Wette abschließe, und es ist die falsche Wette, dann werde ich die Firma damit nicht umbringen'."

Angebote auf dem Unternehmensmarkt stützen

Seit Ende Juli hat Chen zwei kleinere Übernahmen vorgenommen, die darauf abzielen, die Angebote von Blackberry auf dem Unternehmensmarkt zu stützen. Das eine Unternehmen bietet ein Produkt an, das Mobilgeräte davor schützt, abgehört zu werden. Die andere Firma unterstützt Organisationen dabei, die Gerätekosten ihrer Mitarbeiter besser unter Kontrolle zu bringen.

"Die Akquisitionen stimmen stark mit dem überein, was Chen bei Sybase getan hat. Sie werden immer sehr genau zur Strategie passen", kommentiert Marty Beard. Er fungiert bei Blackberry als Vorstand für das operative Geschäft und gehört der Kerngruppe früherer Sybase-Topmanager an, die Chen zu Blackberry gefolgt sind.

"Wenn es eine Wette einzugehen gilt, dann nur, wenn es Blackberry gut geht", meint Chen, der regelmäßig einen 18-Stunden-Tag absolviert. Ganz ähnlich wie bei Sybase hatte er seine ersten Monate beim neuen Unternehmen damit zugebracht, hunderte von Kunden der Firma zu besuchen. Sie sollten ihm dabei helfen, die Produkte zu benennen, die das größte Potenzial aufwiesen.

Cash-Flow-Abflüsse beschränken

Anfänglich war Chen bei Blackberry hauptsächlich damit beschäftigt, die heftigen Cash-Flow-Abflüsse zum Stillstand zu bringen. Im Juni wiederholte der Chief Executive, sein Ziel sei es, im Jahr 2015 beim Cash Flow ein ausgeglichenes Ergebnis vorzulegen. Er überraschte die Analysten außerdem, weil es ihm gelungen war, einen Quartalsgewinn zu präsentieren, den die Börse mit kräftigen Kursgewinnen bei den Blackberry-Titeln honorierte. Schon drei Monate zuvor hatte Chen mit der Mitteilung, die Firma habe ihr Kostenkürzungsziel ein Quartal früher als geplant erreicht, für eine positive Überraschung am Markt gesorgt. Der nächste Quartalsbericht der Kanadier steht am 26. September zur Veröffentlichung an.

Mit seinen Schritten, den Umsatz aus neuen Software-Diensten anzukurbeln, betritt Chen allerdings weitgehend Neuland. Deshalb stützt er sich gleichzeitig auch auf ein Portfolio an Mobilfunkgeräten, mit dem er Geschäftskunden im Blick hat. Und er lässt die aufstrebenden Länder nicht aus dem Blick, in denen die Firma bei den Verbrauchern immer noch über ein hohes Prestige verfügt.

Eines der neuen Modelle von Blackberry soll Passport heißen. Damit wird die Firma zum ersten Mal seit dem Fehlschlag mit den Blackberry-10-Telefonen im Jahr 2013 wieder weltweit mit einem neuen Modell an den Start gehen. Das Smartphone soll einen quadratischen Bildschirm haben und laut dem offiziellen Unternehmens-Blog in der Lage sein, pro Zeile 50 Prozent mehr Buchstaben wiederzugeben als ein typisches Mobiltelefon. Demnach werde es einfacher, Dokumente, Tabellen und Abbildungen zu entziffern, wodurch der Apparat besonders für Berufstätige interessant sei. Über die genauen Funktionen des Smartphones will sich Blackberry erst zu dessen Markteinführung auslassen.

Konkurrenz durch Apple und Co.

Das Passport wird sich dem Vergleich mit den jüngst neu vorgestellten Apple-Produkten iPhone 6 und iPhone 6 Plus mit ihren größeren Bildschirmen von 4,7 Zoll bzw. 5,5 Zoll stellen müssen. Apple hatte außerdem einen neuen mobilen Dienst zur Zahlungsabwicklung angekündigt. Für zusätzlichen Konkurrenzdruck sorgt die Partnerschaft, die Apple vor kurzem mit IBM eingegangen ist, um mobile Anwendungen für Großunternehmen zu entwickeln.

An der Geräte-Front sei Apple ohnehin bereits ein "harter Konkurrent" für Blackberry und "jetzt rücken sie auch noch in das Feld der Sicherheit vor, auf dem Blackberry sich selbst zu erneuern hofft", sagt Mike Walkley, ein Analyst bei Canaccord. Blackberry wollte zu den neuen Apple-Modellen nicht Stellung nehmen.

Der Bildschirm des Passport soll 4,5 Zoll messen, und das Gerät wird mit einer für Blackberry typischen, physischen Tastatur ausgestattet sein. Die Tastatur ist einerseits berührungsempfindlich und kann außerdem dazu herangezogen werden, den Inhalt auf dem darüber liegenden Bildschirm zu durchforsten.

Viele Firmen wollten nicht länger warten

Außerdem setzt Blackberry auf neue Software zur Verwaltung von mobilen Geräten, die im weiteren Jahresverlauf eingeführt werden soll. Doch bei einigen Kunden kommt die Firma damit zu spät. Sie wollten nicht mehr länger auf das Blackberry-Produkt warten und haben mittlerweile auf eine konkurrierende Technologie umgesattelt.

Die derzeitige Management-Software von Blackberry funktioniert zwar auf dem Blackberry 10 und anderen Geräten, nicht aber auf älteren Blackberry-Modellen. Das hat einige Kunden davon abgehalten, die Technologie zu übernehmen. Die jüngste Aktualisierung des Blackberry Enterprise Service soll allerdings auf allen Blackberrys und auch auf Konkurrenzprodukten laufen.

Den US-Bundesstaat Indiana wird Blackberry mit seinem neuen Angebot allerdings nicht mehr erreichen. Der Staat war ungefähr vor einem Jahr dazu übergegangen, die Software des Blackberry-Rivalen MobileIron nutzen, weil immer mehr Bedienstete ein iPhone nutzten. Die Aktualisierung von Blackberry für die 6.000 im Dienst genutzten mobilen Geräte werde man sich vermutlich gar nicht anschauen, wenn sie herauskomme, meint Dewand Neely, der beim Indiana Office of Technology für die Informationstechnologie zuständig ist. "Ich kann mich nicht einmal mehr daran erinnern, wann ich zuletzt mit einem Vertreter von Blackberry gesprochen habe", sagt Neely. (Ben Dummett, WSJ.de/Derstandard.at 23.9.2014)