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Männer allein zu Haus sind noch nicht an der Tagesordnung. Meist werden sie trotz kurzer Karenzen als heldenhafte Pioniere angesehen.

Foto: Corbis/Bettmann

Wien - "In Wien war ich von den knapp 200 Mitarbeitern der Erste, das hat es noch nie gegeben. Es hat seit mir auch keiner gemacht. Da ist man halt ein bisschen der Spinner oder der Außergewöhnliche, wenn man es positiv formulieren möchte." Raffael arbeitet in einer großen Bank, in der die Vorstellung, dass auch Männer in Karenz gehen können, noch nicht angekommen ist. Er hat es trotzdem gemacht - und ist einer von 17 Männern, die von Wiener Forschern eingehend dazu befragt wurden, wie es ihnen dabei ergangen ist.

Erfahrungen wie die von Raffael sind keine Seltenheit. Nach wie vor ist der Anteil von Vätern in Karenz in Österreich schwindend gering. 2014 waren es 4,3 Prozent. "Der Anteil der Karenzväter nimmt zu, sie nehmen aber im Schnitt kürzere Auszeiten in Anspruch", sagt Helene Schiffbänker vom Institut für Wirtschafts- und Innovationsforschung des Forschungszentrums Joanneum Research. Schiffbänker ist Leiterin des Projekts "Väterkarenz - Auswirkungen auf Karrieren von Männern", das durch das Programm Sparkling Science des Wirtschafts- und Wissenschaftsministeriums gefördert wurde.

Während immer mehr junge Männer angeben, in Karenz gehen zu wollen, hat sich das Bild der vielzitierten "neuen Väter" noch nicht in der Realität niedergeschlagen. Im Zeitraum zwischen 2002 und 2011, den die Forscherinnen und Forscher genauer ins Visier nahmen, stieg der Anteil an Kinderbetreuungstagen, die Männer beanspruchten, zwar von 1,7 auf 4,2 Prozent, seither stagniert die Zahl. Interessanterweise ließ die Einführung von unterschiedlichen Bezugsmodellen im Jahr 2008 kürzere Väterkarenzen ansteigen, die Einführung des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgelds 2010 hatte bisher hingegen keinen Effekt. "Die Interviews lassen vermuten, dass zu wenig Information der Grund dafür ist", sagt Schiffbänker.

Allgemein wird der Verzicht auf eine Karenz von Männern mit finanziellen Aspekten argumentiert - und einer diffusen Angst vor einer Schlechterstellung im Job. Karriereknicke durch eine Unterbrechung des Berufslebens und anschließende Teilzeit sind für Frauen gut belegt. Wie sich Auszeiten auf die Jobsituation von Männern auswirken, war hingegen bisher kaum erforscht.

Mehr Geld nach Babypause

"Tatsächlich haben Karenzväter mehrheitlich keine Einkommenseinbußen und behalten ihre Position im Unternehmen", fasst Schiffbänker die Ergebnisse einer Analyse von Sozialversicherungsdaten zusammen. Im Vergleich zu ähnlich verdienenden Männern ohne Babypause hatten Karenzväter zwei Jahre nach dem Wiedereinstieg durchschnittlich sogar etwas mehr in der Tasche.

Die Wissenschafter verfolgten die Karriere- und Einkommensentwicklung von Akademikern, die in Karenz gingen, und verglichen sie mit akademisch gebildeten Vätern ohne Karenzunterbrechung. "Wir haben die Gruppe auf Hochqualifizierte eingeschränkt, weil dadurch das Bildungsniveau als Erklärungsfaktor konstant gehalten werden kann und damit der Blick auf andere Ursachen möglich wird", sagt Schiffbänker.

Die Daten zeigten: Etwa 50 Prozent der Karenzväter verzeichneten zwei Jahre nach dem Wiedereinstieg ein höheres Einkommen als vorher, der Rest verdiente gleich viel oder weniger - bedingt durch Teilzeitarbeit. Auffällig sei gewesen, dass rund die Hälfte der Akademiker während der Karenz geringfügig beschäftigt war.

Doch was beeinflusst die Entscheidung von Männern, in Karenz zu gehen? "Die Einschätzung, wie die Karenz im Unternehmen umsetzbar ist, ist ein wesentlicher Faktor dabei - mehr als persönliche Gründe", sagt Schiffbänker. Gemeinsam mit ihrem Team führte sie Gruppendiskussionen durch und durchleuchtete die Fälle von 17 Betroffenen samt den Reaktionen von Chefs und Kollegen. An dem Projekt beteiligt waren unter anderen Schülerinnen und Schüler des AHS Rahlgasse in Wien und das Zentrum für feministische Studien der schwedischen Örebro-Universität.

Dabei haben die Wissenschafter drei Karenztypen und ihre Karrierewege herausgearbeitet. Die erste Gruppe entschloss sich für eine kurze Karenz bis zu drei Monaten - statistisch gesehen die häufigste Variante - und hatte überhaupt keine Probleme beim Wiedereinstieg. "Die Karenz wird häufig als Ausflug ins Familienleben wahrgenommen und in eine Zeit gelegt, in der sie für den Arbeitgeber leicht verkraftbar ist, etwa in die Sommermonate", schildert Schiffbänker. Vertreter dieser Gruppe sind oft trotz Karenz ständig erreichbar.

In konservativen Unternehmen sieht das oft so aus, wie Interviewpartner Gustav beschreibt: "Aus der Sicht des Arbeitgebers hat sich das so dargestellt, der ist jetzt in Karenz: Der hat eh Zeit." Die Vertreter dieser Gruppe erleben sich trotz der kurzen Pause als heldenhafte Pioniere und kehren üblicherweise in Vollzeit wieder in den Job zurück - die Effekte bleiben gering, sowohl was die eigene Karriere als auch eine Veränderung traditioneller Rollenbilder betrifft.

Gleichstellung als Argument

Die zweite Gruppe geht länger in Karenz, also zwischen vier und zwölf Monaten, und hat danach ebenso keine Probleme im Job. "Hier handelt es sich häufig um Väter, die von der Notwendigkeit der Gleichstellung von Mann und Frau überzeugt sind und von ihren Arbeitgebern unterstützt werden", sagt Schiffbänker. Üblicherweise arbeiten die Männer auch später weniger oder nutzen die Auszeit zur Umorientierung.

Die dritte Gruppe entschied sich für eine längere Karenzdauer und war danach mit massiven Widerständen seitens der Vorgesetzten konfrontiert: Sie wurden versetzt oder gekündigt - obwohl sie der Meinung waren, dass alles gut geregelt sei. "Es ist schwer zu sagen, ob persönliche Animositäten schon vor der Karenz der Grund dafür waren oder ob es auch an der Dauer der Unterbrechung lag", sagt Schiffbänker. Ironischerweise waren Vertreter dieser Gruppe oft in großen Institutionen tätig, die sich in ihrer offiziellen Unternehmenspolitik klar zu Chancengleichheit bekennen. Eine Erfahrung, die viele Wiedereinsteigerinnen nur allzu gut kennen.

Was die persönliche Einstellungen der befragten Karenzväter betraf, identifizierten die Forscher drei Typen von Männlichkeit: Beim involvierten Vater steht die Beziehung zum Kind an erster Stelle. Gleichstellungsorientierten Männern geht es primär um die Aufteilung der Familienarbeit. Die "rhetorisch modernisierte Männlichkeit" zeichnet sich dadurch aus, dass zwar eine kurze Karenz genommen wird, in der Praxis aber die Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern einem klassischen Muster folgt.

Eine aktive Vaterrolle werde noch nicht als integraler Bestandteil männlicher Identität und Karrieren wahrgenommen, schließen die Studienautoren. Ein stärkeres Engagement bei der Kinderbetreuung könne nur dadurch erreicht werden, dass Väter länger als nur zwei Monate in Karenz gehen. Wenn es genügend Vorbilder gibt, wird auch das zum Selbstläufer, wie Studienteilnehmer Daniel berichtet: "Jetzt werden es immer mehr. Es ist wie so eine Kettenreaktion: Wenn einer sich mal traut, dann geht es los."

OEGUT

(Karin Krichmayr, DER STANDARD, 24.9.2014)