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Wien - Die Vermittlung von Finanzwissen wird in Österreich immer wieder gefordert. Von der Wiener Börse, von den Banken, von Versicherungen - selbst die Politik hat im aktuellen Koalitionsprogramm festgehalten, die "Verbraucherbildung vor allem im Bereich Finanzen - insbesondere bei Jugendlichen - verstärken und ausbauen" zu wollen. Auch die Schuldenberatung soll ausbaut werden, "um den Bürgern u. a. durch Budgetberatung die Folgen des Eingehens von vertraglichen Verpflichtungen in kritischen finanziellen Situationen transparent und bewusst zu machen und um sie zu unterstützen".

Den politischen Worten sind bisher aber kaum Taten gefolgt. Also kämpfen die nach mehr Bildung rufenden Institutionen allein. Wer aber soll sich um die Verbreiterung von Wissen rund um die Themen Geld und Finanzen kümmern? Diese Frage hat die Erste Bank in der "Studie zum Finanzmarktwissen der österreichischen Bevölkerung" gestellt: 87 Prozent geben demnach an (501 Interviews wurden in ganz Österreich von Juni bis Juli geführt), dass sich Pflicht- und weiterführende Schulen um die Wissensvermittlung kümmern sollten, 81 Prozent sehen dafür die Hochschulen als Ansprechpartner. 70 Prozent wollen die Politik in die Pflicht nehmen, und nach Medien mit 69 Prozent werden mit 66 Prozent die Banken aufgefordert, mehr zu tun.

"Die Leute haben auch das Recht darauf, uns hier in die Pflicht zu nehmen", sagt Thomas Uher, Mitglied im Vorstand der Erste Bank. Die Vermittlung von Finanzwissen hat sich Uher daher auf seine Fahnen geheftet: "Wir wollen ja mit unseren Kunden bei Fragen zu Finanzierungen oder Vorsorge auch auf Augenhöhe reden können." "Wie viel kann ich mir leisten, welches Risiko kann ich mir erlauben?" seien dabei Themen. "Wenn mir heute jemand sagt, er kommt mit 2000 Euro gut aus, muss er auch den Begriff Inflation verstehen, um zu wissen, dass 2000 Euro in 20 Jahren ein Problem sein könnten", sagt Uher.

Wissensstand "dramatisch"

Wie es um das Wissen bei den Begriffen Inflation, Zinsen und Bruttoinlandsprodukt steht, hat die Bank (siehe Grafik) abgefragt. "Dass mit dem Begriff Zinsen so wenige etwas anfangen können, ist schon dramatisch", sagt Uher zum Standard. Denn diese spielten für alle Bürger eine wichtige Rolle. Zudem, so zeigt die Studie, glaubt weniger als ein Drittel der Österreicher von sich selbst, sehr gut über Wirtschafts- und Finanzthemen Bescheid zu wissen. Auch das bezeichnet Uher als "dramatisch", weil jeder von uns Entscheidungen in diesem Bereich treffen müsse, die das Leben beeinflussen. "Uns zeigen diese Ergebnisse, dass wir mehr tun müssen und es hier auch wirklich einen Bedarf gibt", sagt Uher.

Was aber tut in diesem Fall die Erste Bank, um Finanzwissen zu vermitteln? Drei Bereiche nennt Uher. Die "Finanzbildung mit Rainer Münz": Hierbei werden mit Kurzvideos aktuelle Begriffe wie etwa Deflation erklärt. Mehr als 70 Kurzvideos stehen bereits auf der Erste-Homepage bereit. Zu ausgewählten Themen gibt es auch Schulpakete, in denen Lehrer Materialien, Charts und Übungsblätter von der Bank bekommen.

Für Jugendliche gibt es die Seite geldundso.at. Fragen wie "Was kostet mich ein Handy über zwei Jahre, wenn ich es für 2,99 Euro oder für 6,79 Euro vom Anbieter bekomme?" sollen ein Gefühl für Preise und Kosten vermitteln. Mit "Starte dein Projekt" steht Schülern, die für die Matura ein wirtschaftliches Projekt entwickeln und finanzieren müssen, seit September eine Crowdfunding-Plattform zur Verfügung, die in Kooperation mit dem Stadtschulrat für Wien und der Initiative für Teaching Entrepreneurship betrieben wird. Für Kinder gibt es Sparefroh-TV, wo Grundzüge des Wirtschaftslebens erklärt werden.

Wenig Veränderung

Dass sich trotz dieser Materialien und all dem, was auch andere Institutionen an Unterlagen oder Tools zur Verfügung stellen, nur wenig verändert, liegt für Uher auch daran, dass es noch immer kein eigenes Wirtschaftsfach gibt.

Das Stimmungsbild in den Schulen klingt anders: "Das Interesse der Schüler an diesen Themen ist groß", sagt Elisabeth Dittrich, die als Lehrerin auch die Arbeitsgruppe der Geografie- und-Wirtschaftskundelehrer leitet. Die zur Verfügung gestellten Materialien ließen sich sehr gut in den Unterricht integrieren und würden von den Lehrern geschätzt. "Aktuelle Themen sind ja auch die Würze im Unterricht", sagt Dittrich.

Die Erste Bank will nun mit Interaktivität punkten. 2016 soll am neuen Campus beim Wiener Hauptbahnhof ein "Financial Life Park" eröffnet werden. Vor allem für Schulklassen - aber auch für jeden Interessierten - soll das ein Ort werden, "an dem Finanzen aktiv erlebt werden können", skizziert Uher. Besucher werden via iPad durch den Erlebnispark navigiert. Ziel ist es, Haushaltsbudgets zu erstellen, ein Gefühl für Preise zu bekommen und die Wertigkeit der Dinge zu vermitteln, fasst Uher die neuen Pläne zusammen. (Bettina Pfluger, DER STANDARD, 26.9.2014)