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Die Proteste gegen das Freihandelsabkommen mit Kanada sind ein Vorgeschmack auf den geplanten Vertrag mit den USA.

Foto: apa/Wolfgang Kumm

Berlin/Wien - Seit Wochen haben sie ihn kritisiert und gestichelt. Nicht nur die linke und die grüne Opposition in Deutschland, sondern auch Sozialdemokraten warfen dem deutschen Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) immer wieder vor, er lasse zu, dass beim geplanten Ceta-Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada (siehe Webtipp) EU-Standards verwässert werden.

Dass Gabriel keinen leichten Stand hat, ist offensichtlich. Als Wirtschaftsminister der größten EU-Volkswirtschaft will er Handelsschranken abbauen und weist darauf hin, dass Millionen deutsche Arbeitnehmer auf freien Welthandel angewiesen seien. Als Chef der deutschen Sozialdemokraten jedoch hat er verstärkt das Wohl der Verbraucher im Blick.

Also hat Gabriel nun deutlich gemacht, dass Deutschland das Abkommen so nicht hinnehmen werde: "Es ist völlig klar, dass wir diese Investitionsschutzregeln ablehnen." In Deutschland sind vor allem Klagerechte gegen Staaten vor Schiedsgerichten umstritten, zumal Ceta als Blaupause für das Handelsabkommen TTIP mit den USA gilt. Kritiker befürchten, dass damit kanadische oder US-Investoren die EU oder einzelne Staaten vor Gericht bringen und nationale Regelungen schwächen könnten.

Bundestag soll zustimmen

Dass am Freitag schon der feierliche Abschluss des Vertragswerks im kanadischen Ottawa gefeiert wurde, störte Gabriel bei seiner Klarstellung nicht. Er habe, so erklärte er, seine Bedenken ja auch schon am 12. September schriftlich in Brüssel dargelegt. Grundsätzlich stellt er das Werk auch nicht in Abrede.

In Berlin geht man ohnehin davon aus, dass nicht nur die Regierungen der 28 EU-Staaten zustimmen müssen, sondern die nationalen Parlamente. Mitnichten könne man daher jetzt schon von einem "Abschluss der Verhandlungen reden", sagt Gabriels Sprecher.

Scharfe Kritik an Gabriels Forderung nach Nachverhandlungen kommt von EU-Handelskommissar Karel de Gucht. "Wenn wir die Verhandlungen neu eröffnen, ist das Abkommen tot", sagt er. Doch Gabriel kontert kühl, dass er sich eher am neuen EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker orientiere, der ebenfalls gegen Investitionsschutzklauseln ist: "Wir wollen lieber mit dem reden, der jetzt etwas zu sagen hat, und nicht mit dem, der in der Tat nichts mehr zu sagen hat."

Gabriel steht unter Druck, weil der linke SPD-Flügel in den vergangenen Wochen massive Kritik an TTIP geübt hatte und nun aufmerksam verfolgt, welche Vorlage der SPD-Chef und Wirtschaftsminister bei Ceta hinlegt.

Nicht viel anders stellt sich die Situation in Österreich dar. Auch hier drängt die SPÖ auf eine Streichung der Schiedsgerichte. Bundeskanzler Werner Faymann verwies dabei mehrfach auf die Klage des schwedischen Stromkonzerns Vattenfall, der Deutschland wegen des Ausstiegs aus der Atomkraft verklagte. Es gehe nicht an, dass Konzerne Gesetze über den Umweg eines Schiedsgerichts aushebelten, so der Kanzler.

Das dürfte noch zu Diskussionen in der Koalition führen, weil Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner für die Handelsabkommen zuständig ist. Letztlich muss sich die Regierung auf eine einheitliche Linie einigen. Sie benötigt auch eine Mehrheit im Parlament, was angesichts der Kritik insbesondere aus Gewerkschaftskreisen keine Selbstverständlichkeit ist. Dass das Plenum befasst wird, zeichnet sich immer deutlicher ab: Auch der juristische Dienst des Rates hat die Abkommen als gemeinsame Kompetenz von Union und Mitgliedsstaaten qualifiziert, bei denen nationale Parlamente neben dem EU-Abgeordnetenhaus zu befassen sind. (Birgit Baumann, Andreas Schnauder, DER STANDARD, 27.9.2014)