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"Nicht in meinem Namen", sagten französische Muslime am Freitag bei großen Demonstrationen (im Bild in Nantes) gegen Extremismus und die jüngsten Taten der Extremistenorganisation "Islamischer Staat" (IS).

Foto: REUTERS/Stephane Mahe

Vor der Pariser Moschee versammelten sich nach dem Freitagsgebet Tausende von Gläubigen, um ihre Abscheu und Entrüstung über die Ermordung des 55-jährigen Bergführers Hervé Gourdel durch die algerische Terrorgruppe Jund al-Khilafa auszudrücken. Zum ersten Mal überhaupt hatte die als gemäßigt geltende Moschee zu einer solchen Kundgebung aufgerufen; nicht einmal nach den Anschlägen des 11. September 2001 war es dazu gekommen.

"Wir Muslime sagen: Schluss mit der Barbarei!", rief Moschee-Rektor Dalil Boubakeur vor dem Portal des Gebetshauses aus. Es folgte eine Schweigeminute; danach überbrachte der Pariser Bischof Michel Dubost Gläubigen eine "Freundschaftsbotschaft". Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo begrüßte in ihrer Rede ihrerseits, dass der "tolerante und offene" Islam Frankreichs "nichts mit den Mördern ohne Gesetz und ohne Glauben zu tun" habe.

Doch nicht überall stieß die Demonstration auf Zustimmung. Das "Kollektiv gegen Islamophobie in Frankreich" (Ccif) hatte sich in einem Kommuniqué ausdrücklich distanziert: "Wir verweigern uns systematischen Klagen gegen Personen islamischen Glaubens, die selbst die ersten Opfer barbarischer Akte in der Welt sind." Bürgermeisterin Hidalgo ging in ihrer Rede indirekt auf diese Kritik ein und meinte an Frankreichs Muslime gewandt: "Sie haben sich nicht zu entschuldigen."

Reaktion mit Unverständnis

Die frühere Justizministerin Rachida Dati lehnte die Demo trotzdem ab. "Vermengen wir nicht Islam und Islamismus, wie das ein Teil der politischen Klasse tut", meinte die aus Marokko und Algerien stammende Ex-Starministerin von Nicolas Sarkozy im Radio. Sie machte auch klar, warum die Frage in Frankreich besonders heikel ist: "Wenn uns immer gesagt wurde, dass der Glaube eine Frage der Privatsphäre sei – warum verlangt man dann von uns Muslimen, wir sollen als solche auf die Straße gehen, um gegen die Barbarei zu kämpfen?" Im laizistischen Frankreich wird die Frage der Glaubenszugehörigkeit – wie auch zum Beispiel der Hautfarbe – konsequent aus dem öffentlichen Diskurs verbannt; ethnische oder religiöse Statistiken sind sogar ausdrücklich verboten.

Viele junge Franzosen, die mit ihren aus Nordafrika immigrierten Eltern in Vorstädten leben, verstehen nicht, warum sie sich plötzlich von Terroristen in anderen Ländern distanzieren sollen, nur weil sich diese auf den gleichen Glauben berufen. "Das Problem dieser Banlieue-Kids ist ja gerade, dass sie an nichts mehr glauben", schreibt Blogger Nordine Nabili. "Und nun pfropft man ihnen plötzlich eine religiöse Frage auf, von der sie nichts verstehen."

Nabili lehnt auch die Kampagne "Not in my name" ab, die aus Großbritannien und den USA auf Frankreich überschwappt: "Wer behaupten muss, die Terrorakte fänden nicht in seinem Namen statt, fühlt sich mitschuldig."

Fast noch mehr Aufsehen erregte, dass nicht nur junge Muslime, sondern auch große Islamverbände der Kundgebung fernblieben. Die Union der islamischen Organisationen Frankreichs (Uoif) begründete dies mit dem Argument, sie weigere sich, "auf irgendeine Weise mit diesen Verbrechen in Verbindung gebracht zu werden". Die in Frankreichs Banlieue-Vierteln aktive Uoif steht Ägyptens Muslimbrüdern, aber auch Salafisten nahe, die in französischen Moscheen immer lauter die gemäßigten Imame herausfordern. (DER STANDARD, Stefan Brändle aus Paris, 27./28.9.2014)