Es gibt einfach Dinge im Leben, die größer sind als andere. Größer als der nur um das eigene Wohlergehen kreisende Gedanke. Größer als die Angst vor Gefahr und als Geopolitik im Allgemeinen und größer als die Behördenwillkür und das Wegsehen der Masse. Zu diesen großen Dingen gehören jene Organisationen, die sich Jahr für Jahr, Tag für Tag für Menschen in Katastrophengebieten und an Kriegsschauplätzen einsetzen. Menschen, die dazu bereit sind zu bleiben, während alles flieht. Die unentgeltlich behandeln. Deren Hilfe weder zwischen Zugehörigkeit, Religion noch Besitzverhältnis unterscheidet, deren Hilfe kostenlos ist und dennoch absolut unbezahlbar. Syrien und der Irak würden ohne solche Menschen noch schrecklicher aussehen, als bereits jetzt schon.

Ärzte ohne Grenzen gehören zu jenen, die sich Tod und Gewalt entgegenstellen. Auf ihre Art und Weise. Es ist einfach, die Augen zu verschließen, den Fernseher abzudrehen, die Zeitung zuzuschlagen, um diese entsetzlichen Bilder zu bannen, die auf jene in Sicherheit einprasseln. Ja, die Welt ist nicht gerecht. Ja, es passieren Dinge, die in einer perfekten Welt nicht geschehen dürften. Das beschreibt bereits Voltaires Candide recht großzügig. Und bis heute hat sich da wenig geändert. Aber es gibt solche, die dagegen vorgehen, und allein dieser Gedanke hat etwas Tröstliches.

Ärzte ohne Grenzen operieren weltweit. Von den 30.000 Mitarbeitenden, darunter nicht nur Ärzte, sondern auch Logistiker, Techniker und Architekten, sind nur zehn Prozent international. Der Rest kommt aus dem jeweils betroffenen Gebiet. Die Weltaufmerksamkeit ist eine unverlässliche und ab und an recht geschmacklose Diva. Wenn die Kameras den Ort des Geschehens verlassen, weil Paris Hilton wieder ohne Unterflak gesichtet wurde, bleibt die Katastrophe unbeleuchtet zurück. Und jene, die ihr ausgeliefert sind. Cholera ist kein medialer Dauerbrenner. Nicht einmal Ebola. Erst kürzlich wiesen Ärzte ohne Grenzen darauf hin, dass sie sich Anbetracht der Situation in Syrien und Westafrika die Hälse nach weiterer Hilfe wundschreien würden.

Die Organisation verwahrt sich dagegen, dass ihre Mitarbeiter als Helden betrachtet werden: Medizinische Hilfe sei etwas Selbstverständliches. Vielleicht kann man das auch so betrachten: Jeder kann heldenhaft sein. Und diese Organisation und damit Millionen Hilfesuchende unterstützen. In welcher Art und Weise auch immer. Die Ausstellung der Ärzte ohne Grenzen, die zurzeit auf dem Karlsplatz ihre Zelte aufgeschlagen hat, bietet mannigfaltige Möglichkeiten, sich über Arbeit und Erfolge zu informieren. (Julya Rabinowich, DER STANDARD, 27.9.2014)