Die IS-Miliz will ihr Einflussgebiet im Osten Syriens ausweiten.

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Autoschlangen an der Grenze zur Türkei. Viele Menschen flüchten nach wie vor, einige wenige kehren um, um den Kampf gegen die IS aufzunehmen.

Foto: Reuters/Sezer

Seit nun schon fast zwei Wochen versuchen sich die Einwohner der kurdischen Stadt Kobanê (arabisch: Ayn al-Arab) gegen die Einnahme durch die IS-Miliz zu wehren. Erst gestern, Sonntag, sollen die islamistischen Kämpfer einen Großangriff gestartet haben. Bis auf vier Kilometer sind die Terroristen schon an die Stadtgrenze herangerückt, von einem strategisch wichtigen Hügel, von dem aus die Stadt überblickt werden kann, mussten sich die kurdischen Kämpfer mittlerweile zurückziehen. Sie werden von allen Seiten angegriffen, sagt der Vorsitzende der selbst ernannten Regionalregierung des Gebiets, Anwar Muslim, gegenüber der Nachrichtenagentur dpa.

Kurdische Unterstützung aus dem Irak

Die von westlichen Staaten durchgeführten Luftangriffe konnten die IS-Miliz bisher nicht zurückdrängen. Vor Ort sind es vor allem Kurden selbst, die sich - organisiert über die "Volksverteidigungseinheiten" - gegen die Islamisten stellen. Auch aus dem Irak und anderen Landesteilen Syriens soll mittlerweile eine Vielzahl an Kurden Richtung Kobanê aufgebrochen sein, um die Stadt zu verteidigen. Allein seit letztem Mittwoch sind 1.500 neue Peschmerga in der kurdischen Enklave an der syrisch-türkischen Grenze eingetroffen, meldet etwa die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Sonntag.

Dass die IS-Miliz von Kobanê auch nach vierzehn Tagen nicht ablässt, liegt daran, dass die Kontrolle über diesen Landstrich strategisch von besonderer Bedeutung ist. Ein Gebiet an der Grenze zur Türkei zu halten würde die geopolitische Bedeutung der Islamisten zementieren.

Einreiseroute für Jihadisten

Dann gäbe es eine direkte Verbindung zwischen den Ausläufern des "Kalifats" und jener Route, über die viele ausländische Jihadisten einreisen, wie der "Economist" berichtet. Ausgehend von Kobanê könnte die IS-Miliz versuchen, durch die neue Transport- und Handelsroute in die Zentrale nach Raqqa die Herrschaft im Osten Syriens zu stabilisieren und auszuweiten. Von dort wäre es auch möglich, Waffen und Hilfsgüter von anderen Organisationen, die gegen das Assad-Regime kämpfen, abzufangen.

Kleines Zeitfenster

Dass die IS-Miliz gerade in den letzten Tagen ihre Offensive im Kampf um Kobanê noch einmal intensiviert hat, könnte daran liegen, dass es jetzt noch ein Zeitfenster gibt, bevor sich noch mehr Staaten dazu entschließen, Luftangriffe zu fliegen und diese die notwendige Wirkung zeigen.

Unterdessen tun die kurdischen Kämpfer am Boden ihr Möglichstes, um die Einnahme der Stadt zu verhindern. Viele sehen es nicht nur als Notwendigkeit, sondern als Chance, die militärische Organisation unter Beweis stellen zu können, um so auch das Streben nach einem unabhängigen Kurdistan zu legitimieren. (tee, derStandard.at, 29.9.2014)