Die Symptome der Urtikaria ähneln der Reaktion der Haut auf die Berührung von Brenneseln. Vom wissenschaftlichen Namen der Pflanzengattung (Urtica) leitet sich auch der Name der Krankheit ab.

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Wien - Etwa ein Prozent der europäischen Bevölkerung leidet unter chronischer spontaner Urtikaria, besser bekannt als Nesselsucht. Im Gegensatz zur akuten Urtikaria, die nach spätestens sechs Wochen wieder abheilt und viel häufiger vorkommt, ist die chronische Verlaufsform wenig bekannt und schwierig zu behandeln. Die Patienten haben oft lange diagnostische und therapeutische Irrwege hinter sich.

Nun wollen Experten am Mittwoch mit dem ersten Welt-Urtikaria-Tag die Bevölkerung über diese Krankheit informieren und aufklären. Vorgestellt werden ein neuer österreichischer Therapieleitfaden und eine App, die Betroffenen das Leben erleichtern soll.

Mit Brennesseln gepeitscht

"Die Urtikaria fühlt sich für Betroffene an, als würden sie ständig mit Brennnesseln gepeitscht werden", sagt Otto Spranger von der Österreichischen Lungenunion, ÖLU. Folgen des andauernden Juckreizes und Brennens sind gestörte Nachtruhe, mangelnde Konzentrationsfähigkeit und verminderte Leistungsfähigkeit in Schule und Beruf. Auch die Partnerschaft und das Sexualleben können massiv darunter leiden.

Auch die psychische Belastung ist nicht zu unterschätzen: Begleiterkrankungen wie Depressionen und Ängste können bis hin zu sozialer Isolation und Suizidgedanken führen. Häufig haben die Betroffenen einen langen Behandlungsweg hinter sich, ohne wirkliche Linderung ihrer Beschwerden zu finden.

Schwierige Ursachensuche

Von der akuten Urtikaria sei jeder Vierte zumindest einmal im Leben betroffen, sagt Georg Stingl, Leiter der Abteilung für Immundermatologie und Infektiöse Hautkrankheiten an der Wiener Universitätsklinik für Dermatologie. Die Nesselsucht ist meist eine Reaktion der Haut auf Allergien oder äußere Reize, kann aber auch psychische oder immunologische Ursachen haben. Charakteristisch ist das plötzliche Auftreten von juckenden Quaddeln, wie sie auch nach der Berührung mit Brennnesseln (Urtica) entstehen. Die akute Form ist meist gut behandelbar.

Bei schwereren chronischen Verlaufsformen kann die gesamte Körperfläche betroffen sein und auch Angioödeme, Quaddeln der tieferen Haut, entstehen. Die Beschwerden können über mehrere Monate oder Jahre, mitunter auch Jahrzehnte, bestehen. "Die Suche nach dem Auslöser ist oft eine Detektivarbeit", sagt Stingl. Denn Ziel der Behandlung könne nur die Beseitigung der zugrunde liegenden Ursache sein. Die Erfolgsquote bei der Suche liegt allerdings nur bei etwa 20 Prozent.

Medikament und Smartphone-App

Immerhin bei der Linderung der Beschwerden gibt es Fortschritte. Im August wurde in Österreich ein neuer Therapieleitfaden zur Behandlung der chronischen spontanen Urtikaria veröffentlicht. Mit Omalizumab, bisher zur Behandlung von schwerem allergischen Asthma eingesetzt, ist seit kurzem ein hoch wirksames und gut verträgliches Medikament für die Behandlung der chronischen Nesselsucht zugelassen.

Um Patienten dabei zu helfen, mit der Krankheit besser umzugehen und Ärzten eine Unterstützung bei der Ursachenfindung und Therapieführung zu bieten, entwickelte das Unternehmen alysis-GmbH in Kooperation mit der Österreichischen Lungenunion eine Smartphone-App. Neben Basisinformationen und Selbsttests für mögliche Betroffene enthält die App ein ein Tool zur Dokumentation und Kontrolle des Alltags. Dieses soll Patienten und behandelnden Ärzten bei der Einschätzung helfen, wie gut die Erkrankung aktuell unter Kontrolle ist. Heruntergeladen kann die App kostenlos in den jeweiligen Appstores. (red, derStandard.at, 30.9.2014)