St. Pölten - Erst kürzlich beklagte Erzbischof Claudio Maria Celli, Präsident des päpstlichen Medienrates, dass die Kirche im Internet noch deutlichen Nachholbedarf habe. Offensichtlich auch, was die Kontrollmechanismen in den sozialen Netzwerken des Kirchenpersonals anbelangt.
Pater P., Ordensmann aus dem Stift Göttweig und Pfarrer in einer kleinen niederösterreichischen Gemeinde, besitzt - neben dem direkten Draht zu Gott - noch zwei Accounts bei Twitter. Einmal die katholisch korrekte Version mit christlichen Botschaften, aktiv im Job wahlweise lobpreisend im Messgewand oder mit Jungscharkindern und als Religionslehrer.
Doch der heilige Schein trügt: Via Zweit-Account - aus dem der eigentliche Job nicht ersichtlich ist - zwitschert Hochwürden regelmäßig Hochbrisantes. Jetzt mögen Aussagen wie "Hast du Lust, nimm einen zur Brust, hast du Gelüste, nimm gleich beide Brüste" ein verzweifelter Ausdruck der jahrelangen Enthaltsamkeit und innige Umarmungen mit einem jungen Mann beim Oktoberfest ("An Tagen wie diesen wünscht man sich Unendlichkeit") unbestritten geistliche Privatsphäre sein. Richtig bedenklich wird es aber bei solchen geposteten Fotos: Ein Knabe im Halbschatten, den nackten Oberkörper bedeckt nur ein kleines Holzkreuz. Pater P. hat diese Aufnahme mit den Worten "little man in the dark" bedacht.
Prostitution und Onanie
Doch auch im direkten User-Dialog gibt sich der im Ort angesehene Geistliche nicht gerade zimperlich. Einem offensichtlich von Geldsorgen geplagten jungen Mann legt Pater P. nahe, auf den Strich zu gehen: "Das lohnt sich in deinem Alter." Und auf die Frage, "was man nachts um halb vier so macht", kennt der Gottesmann nur eine Antwort: "Onanieren." Darunter findet sich ein Foto von zwei Jugendlichen - gerade noch mit Unterhosen bekleidet und innig schmusend mit dem Beisatz "Frühstück am Morgen, gefällt mir." Nicht vom Pater verfasst, aber offensichtlich durchaus geduldet. Die eigene Befindlichkeit umschreibt Pater P. - der für den STANDARD zu keiner Stellungnahme bereit war - online mitunter gerne so: "Fohlen mit Schlappschwanz. Ich kann nicht mehr."
Anstoß für die heikle Debatte war ein Hilferuf eines Gemeindemitglieds. Der Vaters eines Sohnes schaltete die "Plattform Betroffener kirchlicher Gewalt" ein. Im Gespräch mit dem STANDARD erzählt der Mann, er sei "durch Zufall auf das äußerst befremdende Twitterprofil unseres Dorfpfarrers gestoßen". Nachsatz: "Ich bin bei Gott kein Gegner der Homosexualität, aber das Foto des halbnackten Knaben im Schatten mit Kreuz um den Hals hat für mich das Fass zum Überlaufen gebracht."
Sanktionen noch offen
Im St. Pöltener Bischofshof ist die Aufregung nun groß. Vom STANDARD mit den Aufnahmen konfrontiert, zitierte Diözesanbischof Klaus Küng noch am Dienstag den Pfarrer zu sich. Zu einem konkreten Ergebnis führte die Aussprache aber nicht.
"Die Diözese dankt sehr für die Hinweise und hat sofort den Ordensoberen informiert. In Einverständnis mit ihm haben wir das Gespräch mit dem Priester gesucht. Die Diözese behält sich in Absprache mit dem Ordensoberen weitere Schritte vor", erläutert Sprecher Eduard Habsburg. Die Stiftsleitung distanzierte sich in einer Stellungnahme am Mittwochmorgen "vollinhaltlich" von den Tweets. Der Twitter-Account wurde mittlerweile gelöscht. (Markus Rohrhofer, DER STANDARD, 1.10.2014)