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Foto: MONEY SHARMA/apa

Wien / New York - Wenn die Kunststudentin Emma Sulkowicz dieser Tage über den Campus der renommierten Columbia University in New York geht, darf eines nicht fehlen: ihre Matratze.

Nicht irgendeine Schaumstoffmatte, sondern die, auf der sie vergewaltigt wurde - von einem Mitstudenten. Blau und schwer liegt sie auf ihren Schultern - und das so lange, bis ihr Vergewaltiger, der auch von zwei anderen Studentinnen angezeigt wurde, der Uni verwiesen wird. "Das kann morgen sein, es könnte aber auch bis zu meinem Abschluss dauern", sagt Sulkowicz in einem Video über ihr Projekt "Carry that Weight", das gleichzeitig zu ihrer Abschlussarbeit in Visual Arts werden soll.

Vergewaltigungen sind an US-amerikanischen Unis ein großes Problem: Laut einem Bericht des Weißen Haus wird eine von fünf Frauen während ihrer Studienzeit sexuell angegriffen - dazu zählt auch sexuelle Belästigung. Unis seien ein besonderer Nährboden für sexuelle Gewalt, heißt es in dem Bericht, Partys und Drogen werden als Begründung genannt.

Zur Anzeige werden nur wenige sexuelle Übergriffe gebracht, ein generelles Problem bei sexueller Gewalt. Auch bei Sulkowicz dauerte es sieben Monate, bis sie den Entschluss fasste und den Vorfall bei der Uni anzeigte.

Warum aber landen diese Fälle vor der Uni und nicht bei der Polizei? Der Grund ist ein Gesetz, nach dem Hochschulen, die finanzielle Förderungen vom Staat erhalten, Diskriminierung zwischen Geschlechtern verhindern müssen - sexuelle Belästigung oder sexuelle Gewalt fallen laut Gesetz in diese Definition und müssen daher verfolgt werden. Fälle wie der von Sulkowicz werden dann von einer Kommission beurteilt.

Gegen solche Verfahren wurde in den letzten Monaten immer wieder Kritik geübt - Sulkowicz hat gemeinsam mit 22 anderen Studierenden der Columbia und der Barnard University Beschwerde eingelegt. Der Vorwurf: Unqualifizierte Leute würden in den Kommissionen über Schuld und Unschuld entscheiden - zu oft käme es deswegen zu Freisprüchen.

In Österreich gibt es keine Zahlen dafür, ob Studierende besonders von sexueller Gewalt betroffen sind. Auch hier werden die meisten Fälle nicht angezeigt, zu groß ist die Angst, nicht ernst genommen zu werden: "Oft versucht die Verteidigung mit allen Mitteln, die Glaubwürdigkeit der Opfer zu erschüttern", sagt Nicola Furtenbach von der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in Familien. Kennt man den Täter - oder hatte gar schon sexuellen Kontakt mit ihm, wirke sich das negativ aus. "Dabei passieren die meisten sexuellen Übergriffe im Bekannten-, ja sogar im Freundeskreis."

Auch bei Sulkowicz ist der Täter ein Bekannter, mit dem sie zuvor zweimal Geschlechtsverkehr hatte - die Ausgangslage war damit schlecht.

Klartext bei Geschlechtsverkehr

Die schwierige Frage lautet, wie die strafrechtliche Verfolgung so verbessert werden könnte, dass sich Betroffene trauen, Anzeige zu erstatten und über die Gewalt zu berichten.

In Kalifornien wurde vor wenigen Wochen ein Gesetz erlassen, das in der Sache für Verbesserungen sorgen soll. Unter dem Titel "affirmative consent", was man mit bejahender Zustimmung übersetzen kann, soll die Partnerin oder der Partner beim Geschlechtsverkehr entweder ausdrücklich Ja sagen oder unmissverständlich zu erkennen geben, dass man einverstanden ist - stilles Nicken ist dabei zu wenig.

Ein Gesetzestext, der seit Bekanntwerden für Diskussionen sorgt: Kritiker befürchten, dass durch diese Formulierung ein Großteil der Sexualakte kriminalisiert werde, und stellen die Umsetzung in Frage - ob Zustimmung geäußert wurde, könne man genauso wenig beweisen. Befürworter merken an, dass es der Normalfall sein sollte, sich Zustimmung einzuholen, und loben das Zustandekommen des Gesetzes, bei dem Studierende und Lehrpersonal beteiligt waren. Ob Kritiker oder Befürworter - dass es Regelungen braucht, um die sexuelle Gewalt an US-Unis zu senken, bestreitet niemand. (Lara Hagen, DER STANDARD, 2.10.2014)