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Eine Familie geht dort spazieren, wo früher der Urmia-See war - und heute nur dessen Salz geblieben ist. Der Wasserrückgang auf nur fünf Prozent hat verheerende Auswirkungen auf das Ökosystem. Aber auch im Rest des Iran wird das Wasser knapp.

Foto: AP / Vehid Salemi

Teheran/Wien - "Irans Klima ist trocken, mit der Ausnahme der sehr feuchten Gebiete am Kaspischen Meer und am Persischen Golf": Zumindest heuer galt dieser in Länder-Enzyklopädien übliche Stehsatz nicht. Die Trockenheit, unter der andere Landesteile leiden, hat 2014 auch sonst regenreiche Gebiete erfasst. Besucher erzählen von verbrannter Erde am Kaspischen Meer, wo sonst die Farbe Grün dominiert. Der Regen ist einfach ausgeblieben.

Die Lage vertieft das Bewusstsein für den Wassermangel, der, wie manche Ökologen meinen, das größte Problem sei, das die Islamische Republik überhaupt hat. Zwar gibt es zumindest eine Studie (New South Wales Climate Change Research Centre), die mittelfristig gerade wegen des Klimawandels mehr Regenfälle prognostiziert. Aber für jetzt gilt: immer weniger Wasser für immer mehr Einwohner - bei gleichbleibender Wasserverschwendung.

Nie versiegende Wasserhähne

Die Regierung von Hassan Rohani ist die erste, die sich der Sache offensiver annimmt, Kritik an der Passivität früherer Präsidenten inklusive. Die Vizepräsidentin und Chefin der staatlichen Umweltschutzorganisation, Massumeh Ebtekar, geißelt den iranischen Pro-Kopf-Wasserverbrauch als doppelt so hoch wie im internationalen Durchschnitt. Fließendes Wasser zur Kühlung und Bewässerung von Gärten gehört zum iranischen Selbstbild - genauso wie nicht versiegende Wasserhähne zu Hause: Leisten kann sich das der Iran längst nicht mehr. Während des Sommers wurden Wasserrationierungen in etlichen großen Städten angedacht, in Karaj bei Teheran ist sie bereits Realität.

Wasserressourcen halbiert

Laut dem World Resources Institute steht der Iran auf der Liste der von Wassernot bedrohten Staaten auf Platz 24. Die erneuerbaren Wasserressourcen sind seit der Revolution 1979 um 50 Prozent zurückgegangen. Die Niederschlagsmenge sinkt jährlich, die Grundwasserreserven ebenso. Es gibt unterschiedliche Zahlen, aber alle sind sehr schlecht.

Einer der auslösenden Faktoren ist der Umgang mit den Wäldern, deren Abholzung bereits in der Schahzeit begonnen hat. Eine Reaktion auf die Krise - etwa die Reduktion von Agrikultur, die 92 Prozent des Wassers verbraucht, davon geschätzte 70 Prozent unnötigerweise - bleibt bisher weitgehend aus. Manche Wissenschafter meinen, der Iran sollte auf den Import landwirtschaftlicher Produkte umsteigen: Rechnete man die realen Kosten des Wassers, seien sie billiger.

Die große Dürre der 1990er

Die große Dürre von 1992 bis 2002 hatte den iranischen Gewässern bereits stark zugesetzt: Das Symbol für die Situation ist der Urmia-See im iranischen Aserbaidschan (Bild oben), der nur mehr fünf Prozent seiner ursprünglichen Fläche hat - wobei er als Salzsee zumindest für die Landwirtschaft keine Bedeutung hat. Bei anderen Wasserflächen und -läufen ist das nicht der Fall, etwa beim Hamun-See in Balutschistan - oder entlang des berühmten Zayandeh Rud, der vom Zagros-Gebirge zweihundert Kilometer durch Isfahan in die Gavkhuni-Auen fließt. Sein eklatanter Wassermangel bedroht Kleinklimate und Ökosysteme.

"Wo ist mein Fluss?"

In Isfahan fand am 8. September eine Demonstration statt - solche gibt es immer wieder auch in anderen, von der Dürre betroffenen Landesteilen. In einer Anspielung auf den Slogan bei den Protesten nach den Präsidentenwahlen 2009 - "Wo ist meine Stimme?" - riefen die Demonstranten in Isfahan: "Wo ist mein Zayandeh?" Diese "ökologische Unruhe" kommt zu den Problemen dazu, unter denen der Iran wegen der Wirtschaftssanktionen leidet - und im Moment sieht es eher nicht so aus, als ob eine Einigung im Atomstreit diese Situation schnell ändern würde.

Manche der von der Wassernot betroffenen Gebiete liegen an den Grenzen, wo ethnische Minderheiten leben - etwa in Balutschistan oder in Khusistan, wo Wasser des Karun-Flusses nach Isfahan abgeleitet wird. Das löst Ärger unter den dort lebenden Arabern aus. Wasser umzuleiten oder es aufzustauen, war immer eines der - nicht nachhaltigen - Rezepte der vergangenen Jahrzehnte.

Wasser-Entsalzung ad acta gelegt

Im Juni verkündete Ressourcenminister Hamidreza Chitchian ein Projekt, durch das entsalztes Wasser aus dem Persischen Golf in die betroffenen Provinzen gelangen soll. Auch das Kaspische Meer wurde ins Visier genommen - die Pläne aber ad acta gelegt, denn dessen zunehmende Versalzung macht ohnehin schon große Probleme. Nach tiefen Grundwasserreserven wird ebenfalls gebohrt.

Irans Bevölkerung hat sich seit der Revolution 1979 verdoppelt, seit 1900 verachtfacht. In den 1980ern startete die Regierung eine erfolgreiche Kampagne für die Zweikindfamilie, die die Geburtenrate sinken ließ. 2006 rief Präsident Mahmud Ahmadi-Nejad seine Landsleute erstmals wieder auf, mehr Kinder zu produzieren: Die Bevölkerung müsse von siebzig auf 120 Millionen wachsen. Und 2012 nannte auch der religiöse Führer Ali Khamenei Geburtenkontrollprogramme "falsch". Wo das Wasser für die Menschen herkommen soll, sagte er nicht. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 2.10.2014)