Die von den "Grail"-Sonden aufgespürten Zonen mit Schwerkraftanomalien, farblich hervorgehoben. Darunter ein Blick auf die Vorgänge, die sich dort einst abgespielt haben dürften: Der Boden klaffte auf und entließ gewaltige Lavaströme.

Foto: Kopernik Observatory/NASA/Colorado School of Mines/MIT/JPL/Goddard Space Flight Center
Foto: NASA/Colorado School of Mines/MIT/JPL/Goddard Space Flight Center

Denver – Als größtes der "Mondmeere" (Maria) erstreckt sich der Oceanus Procellarum über eine Fläche von etwa vier Millionen Quadratkilometern. Schon mehrmals hat dieser "Ozean der Stürme", so die wörtliche Übersetzung des Namens, Besuch von der Erde erhalten: Die sowjetischen Sonden Luna 9 und Luna 13 landeten dort ebenso wie die NASA-Sonden Surveyor 1 und Surveyor 3 und im Jahr 1969 die Astronauten der Apollo-12-Mission.

Der Ursprung dieser gewaltigen Region war bislang nicht vollständig klar: Mehrheitlich wurden vulkanische Prozesse dahinter vermutet – es gab aber auch die Annahme, dass das Becken auf den Einschlag eines Asteroiden zurückgehen könne. Dieser Hypothese erteilt eine im aktuellen "Nature" veröffentlichte Studie allerdings nun eine klare Absage.

Das Eckige im Runden

Ein Forscherteam um Jeffrey Andrews-Hanna von der Colorado School of Mines wertete Daten der "Grail"-Zwillingssonden aus, die 2012 den Mond umkreisten, um sein Schwerefeld zu vermessen. Durch dessen regionale Variationen lassen sich Strukturen unter der Oberfläche aufspüren.

Die Untersuchung zeigte linear verlaufende Anomalien, die zusammen eine Art riesiges Rechteck bilden, das sich in weiten Teilen mit dem Oceanus Procellarum überlappt. Mit einem Asteroideneinschlag passt das nicht zusammen: Von anderen Einschlagskratern weiß man, dass in solchen Fällen eine kreisförmige Anomalie im Zentrum zu erwarten wäre.

Dynamik vor langer Zeit

Die tatsächlich vorgefundene Form ist ein starker Hinweis darauf, dass hier innere Kräfte am Werk waren, wie Andrews-Hannas Kollege Jim Head sagt. Vor drei bis vier Milliarden Jahren hätten demnach gewaltige Lavaströme die Region überflutet, die eine dunkle Basaltdecke als Erbe zurückließen.

Möglicherweise sei die Struktur das Ergebnis einer raschen Abkühlung. Dadurch könnten Brüche in der Oberfläche entstanden sein, die als Kanäle für geschmolzenes Gestein gedient hätten, wie das an der Studie beteiligte Massachusetts Institute of Technology (MIT) in einer Mitteilung erläutert.

"Unsere Schwerkraftdaten eröffnen ein neues Kapitel der Mondgeschichte, in dem der Mond ein dynamischerer Ort war als die Kraterlandschaft nahelegt, die heute mit bloßem Auge sichtbar ist", sagt Andrews-Hanna. (red/APA, derStandard.at, 1. 10. 2014)