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Witali Klitschko war am Dienstag Gast eines Diskussionsforums zur Zukunft der Ukraine. Mauern an der russischen Grenze zu bauen hält er für mittelalterlich.

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STANDARD: Was sagen Sie zur Option, die Ukraine zu einem neutralen Staat zu machen?

Klitschko: Wir waren immer neutral und ein blockfreier Staat. Heute sehen wir, dass das ein Fehler war. Wir haben durch das Budapester Memorandum die Schutzgarantie aller Länder gehabt und deshalb unsere Atomwaffen abgegeben. Die Länder, die damals unsere Unabhängigkeit und territoriale Integrität garantieren wollten, können leider derzeit nicht viel helfen. Wir müssen einen anderen Weg finden für die zukünftige Verteidigung unserer politischen Strategie. Damit meine ich auch, dass eine Annäherung an die NATO nicht auszuschließen ist.

STANDARD: Wie weit kann ein Sonderstatus der Ostukraine reichen?

Klitschko: Der Sonderstatus betrifft bestimmte wirtschaftliche Forderungen, aber es wird keine Autonomie geben.

STANDARD: Welche Zugeständnisse ist Kiew bereit zu machen, um die Ostukraine zu halten?

Klitschko: Das wichtigste und effektivste Mittel ist der wirtschaftliche Erfolg. Es spielt keine Rolle, wo in der Ukraine man lebt, jeder Bürger will einen normalen Lebensstandard haben. Das bedeutet: ein guter Arbeitsplatz, ein gutes Gehalt, ein gutes soziales Netz. Das ist die Hauptsache. Alles andere ist künstlich aufgeblasen. Ohne Finanzierung und ohne Waffenlieferung und ohne russische Soldaten hätte dieser Konflikt nicht stattgefunden.

STANDARD: Sie haben den Vorschlag gemacht, eine Mauer an der russischen Grenze zu errichten. Was ist davon übriggeblieben?

Klitschko: Wenn Sie irgendwo hören, dass das meine Idee gewesen sein soll, entschuldige ich mich dafür. Ich wäre niemals darauf gekommen. In der modernen Welt Mauern zu bauen ist mittelalterlich. Heute sind eine moderne Armee, starke Wirtschaft und politische Arbeit die sogenannte Mauer. Das ist viel, viel effektiver als eine echte Mauer.

STANDARD: Am 26. Oktober wird in der Ukraine ein neues Parlament gewählt. Was werden die politisch wichtigsten Botschaften ihrer Partei sein?

Klitschko: Wir müssen so schnell wie möglich Reformen durchsetzen, Korruption besiegen und in kurzer Zeit Ergebnisse vorweisen.

STANDARD: Die Swoboda-Partei ist derzeit noch Teil der Regierung. Wie wird ihr Bündnis nach der Wahl mit rechtsextremen Parteien im Parlament umgehen?

Klitschko: Wir müssen unsere liberalen Ideen verbreiten, das ist das beste Mittel gegen Rechtsextremismus.

STANDARD: Wird man Swoboda bei Regierungsverhandlungen wie jede andere Partei behandeln?

Klitschko: Das möchte ich nicht kommentieren. Ich kann darauf nach der Wahl antworten. Jetzt steht erst einmal im Vordergrund, welche Parteien überhaupt ins Parlament kommen.

STANDARD: Es wird Ihnen ein Naheverhältnis zu Dmytro Firtasch (in Österreich lebender Oligarch, gegen den ein US-Haftbefehl vorliegt, Anm.) nachgesagt. Unterstützt er sie politisch?

Klitschko: Ich bin unabhängig und war es auch immer, im Sport und in der Politik. Ich erhalte die größte Unterstützung von Parteikollegen und der ukrainischen Bevölkerung. Ich kenne sehr viele mächtige Leute in der Ukraine, sehr viele Oligarchen. Als Politiker muss ich mit allen sprechen, aber bleibe trotzdem unabhängig.

STANDARD: Wird sich der Gaskrieg mit Russland im Winter noch intensivieren?

Klitschko: Russland nutzt seine Energieressourcen als politisches Instrument in Verhandlungen. Die Ukraine zahlt derzeit doppelt so viel wie Deutschland, Polen oder Frankreich. Wir müssen versuchen, zu den Marktpreisen zurückzukommen. Außerdem sollten wir sparsam sein. Der Energieverbrauch in der Ukraine ist fast doppelt so hoch wie in manchen Ländern Europas. Deswegen müssen wir von der hohen Gasabhängigkeit wegkommen. Das wird kein leichter Winter, aber wir werden nicht frieren. (Teresa Eder, DER STANDARD, 3.10.2014)