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Blick in das Krankenzimmer eines Aids-Patienten in Kinshasa. Die Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo weist die größte Erbgut-Vielfalt bei HI-Viren auf. Eine aktuelle Studie hat Kinshasa als höchstwahrscheinlichen Ursprungsort der globalen Aids-Epidemie identifiziert.

Foto: REUTERS/Finbarr O'Reilly

Oxford/Wien - Von einem "Perfect Storm"-Szenario, also einer Verkettung unglücklicher Umstände, spricht ein Team internationaler Forscher im Fachmagazin "Science". So charakterisieren sie die Entwicklung, die Aids von einer zunächst nur lokal auftretenden Krankheit zur globalen Pandemie mit bis heute insgesamt etwa 75 Millionen Infizierten werden ließ.

Alle Varianten des Humanen Immundefizienz-Virus (HIV) entwickelten sich aus Retroviren, die Schimpansen befallen haben, welche ihrerseits von anderen Primaten infiziert wurden. Mehrmals sprangen solche Viren auf den Menschen über, vermutlich durch den Verzehr von Affenfleisch - so auch HIV-1, dessen Untergruppe M für mehr als 90 Prozent der weltweiten Infektionen verantwortlich ist. Den Ursprungsort dieser Gruppe M glauben Forscher um Nuno R. Faria von der Universität Oxford nun mit großer Sicherheit in Kinshasa in der heutigen Demokratischen Republik Kongo ausfindig gemacht zu haben.

Sie nutzten dafür die sogenannte "molekulare Uhr", eine Methode, die mittels Erbgutsequenzierung den evolutionären Weg von Organismen (oder in diesem Fall Viren) rekonstruierbar macht. Im Einklang mit früheren Studien errechneten die Forscher, dass der Beginn der Epidemie in den frühen 1920er Jahren anzusiedeln ist. Kinshasa, wo die genetische Vielfalt der Viren heute noch am größten ist, wurde auf statistischem Weg als Epizentrum ermittelt.

Von Kinshasa aus griff das Virus zunächst auf andere Bevölkerungszentren der damaligen Kolonie Belgisch-Kongo über. Für eine weitere Ausbreitung ab den 1960er Jahren sorgten ganz spezifische Faktoren, für die Faria eine Reihe soziodemografischer Studien heranzog, etwa die Zunahme von Sexarbeit und die Verwendung unsauberer Spritzen im Gesundheitssystem. Und zuletzt schließlich eine Welle von Arbeitsimmigranten aus Haiti in den 1960er-Jahren, die bei ihrer Rückkehr das Virus in ihre Heimat trugen - der Sprung zur Pandemie.

Traurige Ironie: Das koloniale Eisenbahnsystem, das für die entscheidende erste Ausbreitungswelle innerhalb Kongos gesorgt hatte, transportierte zu dieser Zeit längst nicht mehr so viele Menschen wie früher. Farias Kollege Oliver Pybus spricht von einem engen Zeitfenster, das das HI-Virus für seine verhängnisvolle Ausbreitung nützen konnte. (jdo, DER STANDARD, 3.10.2014)