Andre Bandel kommt seit 62 Jahren ins Münchner Hofbräuhaus. Jede Woche. "Ich sitze immer am gleichen Tisch", sagt der 82-Jährige. Mit seiner traditionellen Tracht und dem weißen Vollbart fällt Bandel in dem großen Gastraum sofort auf. "Im Hofbräuhaus lernt man die ganze Welt kennen", erklärt er seine Liebe zu Münchens berühmtestem Wirtshaus, das in diesen Tagen seinen 425. Geburtstag feiert.

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Ihr Bier bezahlen viele Stammgäste nicht in bar, sondern mit Bierzeichen, extra angefertigten kleinen Münzen.
Foto: Reuters/Michaela Rehle

Bandel ist einer von 616 Stammgästen, die das Bier aus dem eigenen Maßkrug trinken. Gleich links neben dem Eingang steht der Maßkrugtresor. Hinter Vorhängeschlössern lagern in diesem Regal wahre Schätze - manche Krüge sind älter als 100 Jahre. "Ein Platz für den eigenen Maßkrug ist für viele schöner als ein Lotto-Gewinn", sagt Hofbräuhaus-Sprecher Stefan Hempl. Bei 3.500 Stammgästen ist die Warteliste lang. Der Platz im Regal kostet vier Euro Pacht im Jahr, die persönlich und in bar bei den Wirtsbrüdern zu entrichten ist.

Ein herzogliches Brauhaus

Ihr Bier bezahlen viele Stammgäste dagegen nicht in bar, sondern mit Bierzeichen, extra angefertigten kleinen Münzen. Wer als Stammgast zehn Münzen kauft, bekommt eine als Treuebonus obendrauf. Auf diese Weise bezahlten die Gäste schon in den Anfangsjahren des herzoglichen Brauhauses.

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Eine fliegende Brez'n-Verkäuferin.

Der bayerische Herzog Wilhelm V. gründete sein eigenes Brauhaus 1589, um Geld zu sparen. Bis dahin war das Bier für den Hofstaat aus dem niedersächsischen Einbeck importiert worden. "Das war unglaublich teuer und das eigene Brauhaus deshalb eine Maßnahme, den Staatsbankrott abzuwenden", erklärt Hempl.

Mit Bier den Opernhausbrand gelöscht

Schnell weckte das herzogliche Bier auch außerhalb Bayerns Begehrlichkeiten. Als die Schweden im 30-jährigen Krieg München belagerten, ließen sie sich nicht nur mit Geld, sondern auch mit 362 Kübeln Bockbier besänftigen. Erneut nützlich war das Bier für die Stadt rund 200 Jahre später beim Brand des Münchner Opernhauses. "Im Winter 1823 war das Löschwasser eingefroren", erzählt Hempl. Also wurde in großen Kübeln Bier aus dem Hofbräuhaus herangeschafft und das Opernhaus vor der völligen Zerstörung gerettet.

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Über zu wenige Gäste kann sich das Hofbräuhaus nicht beklagen.
Foto: Reuters/Michaela Rehle

Seit 1852 ist das Wirtshaus im Besitz des bayerischen Staates. "Das Hofbräuhaus gehört fast schon zum bayerischen Erbe. Deswegen bleibt es auch bayerisch", erklärte Finanzminister Markus Söder (CSU). Die 1,9 Millionen Maß Bier, die im Hofbräuhaus jährlich ausgeschenkt werden, tragen also auch dazu bei, die bayerische Staatskasse zu füllen.

Beliebt bei Touristen

An einem der mehr als 100 Jahre alten Holztische in der Schwemme - dem Herzstück des Hofbräuhauses - sitzt eine Gruppe kräftig gebauter amerikanischer Touristen. "Direkt vom Flughafen sind wir hierher gefahren", erzählt einer. Fröhlich prosten sie sich mit ihren vollen Maßkrügen zu, knipsen Fotos mit ihren Smartphones. "Wir konnten es gar nicht abwarten, hier zu sein."

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Wird gern als Souvenir mitgenommen: ein Bierdeckel, der kein Klischee anbrennen lässt.

Dabei können Fans der bayerischen Bierkultur auch in Amerika ein Hofbräuhaus besuchen. Mittlerweile gibt es sieben lizenzierte Kopien auf drei Kontinenten. "In Las Vegas steht ein Neubau, die Fassade sieht genauso aus wie hier am Platzl", erzählt Hempl. Jedes ausgeschenkte Bier stammt aus der Münchner Brauerei.

Gegen das Klischee

Dem Klischee, dass im Hofbräuhaus am Platzl nur Touristen sitzen, widerspricht Hempl energisch. "Wir ziehen hier keine folkloristische Show mehr ab wie in den 80er-Jahren, sondern bieten authentische bayerische Kultur." Seit sich das Musikprogramm auf zünftige Wirtshaus-Blasmusik konzentriere, ziehe es auch immer mehr junge Münchner ins Hofbräuhaus. Das Verhältnis zwischen Touristen und Einheimischen bezeichnet Hempl als ausgeglichen.

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Das Hofbräuhaus hat es bis nach Las Vegas geschafft.

Der Touristenstrom aus aller Welt ist trotzdem ungebrochen. "Hin und wieder lässt ein Gast auch mal einen Maßkrug als Souvenir mitgehen", erzählt Hempl. Reuige Maßkrugsünder schicken das Glas später wieder zurück – mitunter sogar nach Jahrzehnten. (APA, red, 4.10.2014)