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Amazon-Chef Jeff Bezos will einen E-Book-Preis von 9,99 Dollar - ohne Kompromisse

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Amazons Marktmacht verschafft Bezos eine exzellente Verhandlungsposition

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Diese Dominanz lässt Amazon vor allem die Verlagsgruppe Hachette spüren

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Doch Verlagshäuser und Autoren wie die österreichische Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek wehren sich

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Allerdings hat Amazon im E-Book-Sektor mit dem Lesegerät Kindle samt eigenem Ökosystem bereits einen massiven Vorsprung

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Andere Geräte, etwa von Sony, sind bei Weitem nicht so populär - auch, weil Amazon Kindles sehr billig verkauft und damit sogar Verluste erleidet

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Doch wie viel ist ein E-Book wert? Für Verlage gilt die Faustregel von rund 80 Prozent des Hardcover-Preises

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E-Books bedrohen auch den stationären Buchhandel

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Ausgerechnet Amazon liefert mit "Transparent" eine innovative TV-Serie

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Sie rascheln nicht beim Blättern und riechen nicht nach Druckerschwärze. Die einen sehen darin die Zukunft des Buches, die anderen den Untergang der Lesekultur: An E-Books scheiden sich die Geister. Fakt ist, dass sie immer beliebter werden. 21,5 Millionen E-Books wurden vergangenes Jahr in Deutschland verkauft, im Vergleich zu 2012 eine Steigerung von über 60 Prozent. In den USA wird jedes fünfte Buch auf einem Bildschirm gelesen.

Autoren protestieren, Buchhandel warnt

Eigentlich gute Nachrichten für die Verlagsbranche. Wäre da nicht Amazon: Der milliardenschwere Versandhändler griff die Buchbranche mit Gratisversand und Dumpingpreisen in den USA schon an, als vom E-Book noch keine Rede war. Jetzt steht die Preispolitik bei E-Books im Zentrum der Kritik. Autoren wie Stephen King, John Grisham oder Elfriede Jelinek protestierten gegen die "Erpressungsmethoden" des Online-Giganten. Der Börsenverein des deutschen Buchhandels warnt, dass die Preispolitik des US-Händlers "die Branche zerstören" würde.

Amazon ist ein Gepard, Verlage die Gazellen

Dabei betont Amazon-Chef Jeff Bezos ständig, wie sehr er Autoren und Bücher liebe. Verlage mag Bezos hingegen weniger. Angeblich verglich der Amazon-Gründer sein Unternehmen mit einem Gepard, der Verlage "wie Gazellen" jage. Jetzt will der Gepard das E-Book-Revier komplett für sich allein. Denn Amazon plant, in den USA alle E-Book-Titel, auch Neuerscheinungen, für höchstens 9,99 Dollar anzubieten. Das schafft das Unternehmen finanziell nur, wenn die Verlage dem Onlinehändler bessere Konditionen einräumen. Was sich der hauseigenen Amazon-Formel zufolge für die Verlage lohnen würde: Laut dieser Rechnung verkaufen sich E-Books um 9,99 Dollar exakt 1,7 Mal öfter als E-Books zum Preis von 14,99 Dollar. Durch den niedrigeren Preis würden die Verlage insgesamt mehr verdienen. Statistiken belegen tatsächlich, dass Kunden am ehesten im Bereich von zehn Dollar zugreifen.

Hauptverband: "Diktieren eines Höchspreises völlig unangebracht"

In der Verlagsbranche gelten diese Berechnungen als Humbug. Benedikt Föger, Präsident des Hauptverbands des österreichischen Buchhandels, glaubt vielmehr, dass für Amazon die hohen Versandkosten gedruckter Bücher "zusehends zu einem Problem" würden, weshalb der Konzern die Verschiebung von Print zu Digital beschleunigen wolle. Das Diktieren eines Höchstpreises nennt Föger "völlig unangebracht", Amazon wolle "den stationären Buchhandel ruinieren". Die meisten Verlage sehen das ähnlich und wehren sich.

Schmutzige Tricks

Die Folge: ein unseliger Streit, bei dem beide Seiten zu schmutzigen Tricks greifen. Besonders die US-Verlagsgruppe Hachette bekommt die Marktmacht von Amazon mit voller Wucht zu spüren. Diese Dominanz hat sich der Onlinehändler durch gute Instinkte verdient: Mit dem "Kindle" stellte Amazon drei Jahre vor Apples iPad ein Gerät vor, auf dem digitale Dokumente bequem gelesen werden können. Heute ist der Kindle der beliebteste E-Reader.

Kindle trotz vieler Bedenken populär

Und das, obwohl das Gerät technisch eine Insellösung darstellt: So haben Kindle-Dateien ein eigenes Format, können also nicht auf anderen Geräten gelesen werden. Auch der Weiterverkauf ist nicht möglich. Vom Thema Datenschutz ganz zu schweigen: E-Book-Reader können messen, wie lange Leser bei bestimmten Sätzen verweilen oder welche Kapitel sie überfliegen. Andererseits ist der Kindle sowohl günstig als auch hochwertig - und populär. Für Amazon sind die Reader ein Verlustgeschäft, das der Konzern gern trägt. Gerüchten zufolge wollte man Kindles sogar verschenken, um noch mehr Kunden an das eigene System zu binden. Die sollen dann wiederum E-Books günstiger als bei der Konkurrenz einkaufen können. Ein Teufelskreis für die Verlagshäuser.

Preise schwanken

Doch was ist der angemessene Preis für ein E-Book? Ein Blick auf unterschiedliche Titel und Märkte zeigt große Schwankungen: Etwa bei Donna Tartts "Der Distelfink". In den USA ist der Bestseller als Hardcover für 17,95 Dollar (14,25 Euro) erhältlich, die Kindle-Version kostet nur 8,23 Dollar (6,53 Euro). Im deutschsprachigen Raum sind die Unterschiede deutlich geringer: In der hiesigen Amazon-Filiale schlägt die gebundene Ausgabe mit 24,99 Euro zu Buche, die Kindle-Edition liegt mit 19,99 Euro knapp darunter. Brennerova, der neue Krimi von Wolf Haas, kostet gebunden 20 Euro, als Kindle- oder E-Book-Version 15,99 Euro. Dasselbe Bild bietet sich auch bei Thalia und anderen Buchhändlern.

Buchpreisbindung für E-Books

Verantwortlich dafür ist die Buchpreisbindung, die in Deutschland bereits für E-Books gilt. Auch in Österreich möchte Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ) die Regelung auf digitale Bücher ausdehnen. Damit soll laut Ostermayer "im Sinne der Vielfalt agiert werden". Denn durch die Buchpreisbindung können Verlage den Preis für ihre Bücher selbst kontrollieren. Dadurch nehmen sie mehr ein, als wenn sie ihre Bestseller dem Treiben des freien Marktes aussetzen müssten. Mit diesem Extrageld sollen sie wiederum junge Autoren und kreative Texte unterstützen. Zusätzlich will Ostermayer die staatliche Förderung für Künstler um zehn Prozent erhöhen.

Faustregel: 80 Prozent von gedruckter Edition

"Eine Ausdehnung der Buchpreisbindung auf E-Books ist sinnvoll", so Michael Kernstock, Obmann des Fachverbands Buch- und Medienwirtschaft, "der Datenträger ist für diese Frage nebensächlich." Beim Verlag Carl Ueberreuter gilt die Faustregel, dass E-Books für rund 80 Prozent des Hardcover-Preises verkauft werden sollen, als "hilfreich, aber nicht immer anwendbar". Hauptverband-Präsident Föger denkt ähnlich. Er gibt zu bedenken, dass viele Verlage E-Books noch als "Neben- oder Zusatzprodukt" zur Druckauflage kalkulieren. Eigenständige E-Books würden noch mehr kosten. Von Amazons 9,99-Dollar-Wunschpreis ist die österreichische Buchbranche also weit entfernt.

Amazon macht auf Bücherei - mit ökonomischem Hintergedanken

Es gibt allerdings eine altehrwürdige Institution, bei der man Bücher schon seit jeher günstiger lesen kann: die Bücherei. Viele von ihnen bieten mittlerweile auch E-Books an. Die städtischen Büchereien Wien besitzen rund 35.000 E-Book-Titel, im vergangenen August wurden 34.000 Entlehnungen registriert.

Dieses Flatrate-Vergnügen bietet Amazon seit August auch in den USA an. Nur eben mit einem ökonomischen Hintergedanken. Für einen Pauschalpreis von 9,99 Dollar monatlich bietet "Kindle Unlimited" unbegrenzten Zugriff auf 650.000 Titel. Gerüchten zufolge will Amazon damit bald nach Deutschland expandieren. Bei den Büchereien Wien sieht man bestenfalls Parallelen zum eigenen Konzept: "Im Vergleich zu Büchereien ist das Amazon-Angebot teuer und unvollständig", so Monika Reitprecht. Der Verlag Ueberreuter befürchtet ein "Überschwemmen des Marktes", unter dem die "Qualität der Bücher leide". Hauptverbands-Präsident Föger will die Situation genau "in Richtung Buchpreisbindung und einer möglichen Umgehung" beobachten.

Können nicht mit-, nicht ohne einander

Eine Einigung liegt also in weiter Ferne. Kommen muss sie dennoch: Dass die Buchbranche ohne Verlage nicht funktionieren kann, weiß Amazon-Chef Bezos. Umgekehrt können die Verlage nicht dauerhaft im Clinch mit dem weltgrößten Onlinehändler liegen.

Dass digitaler Preisverfall nicht unbedingt eine Qualitätsminderung bedeuten muss, zeigen momentan etwa Musik- und Filmbranche, die im Unterschied zur Buchwirtschaft jahrelang mit illegalen Downloads zu kämpfen hatten.

Abo-Modelle andernorts Hoffnungsträger

Für diese Branchen sind Abo-Modelle zurzeit große Hoffnungsträger: Der Musikstreaming-Dienst Spotify sorgt langsam für wieder steigende Umsätze bei den Musikverlagen; in der Film- und Fernsehbranche machen Abo-Modelle wie etwa Netflix Furore - und innovative Eigenproduktionen. So preisen US-Kritiker die neue Fernsehserie Transparent, in der es um einen dreifachen Familienvater geht, der als Frau sein Glück sucht.

Amazon Studios

Produziert wurde das Format ausgerechnet von Amazon - als Teil eines exklusiven Video-Flatrate-Angebots. (Fabian Schmid, DERSTANDARD, 4.10.2014)