Offenbar hat der Ausgang des schottischen Referendums viele Katalanen nur wenig beeindruckt: Es gelüstet sie weiterhin nach Abspaltung, einer Tätigkeit also, in der man unschwer das Wort "Spalt" erkennen wird. Durch einen solchen Spalt (vom Duden elegant definiert "als eine einen Zwischenraum bildende schmale, längliche Öffnung") sähen sie sich gerne von Restspanien getrennt.

Die Abspaltung steht politisch und psychologisch nicht im besten Ruf. Wer missliebige Bewusstseinsinhalte und Gefühle lediglich abspalten, nicht aber, wie ein reiferer Charakter, verdrängen kann, wird mit seinem Analytiker viel zu bearbeiten haben. Bei den kommunistischen Studentengruppen der Jahre 1968ff standen vor allem die Trotzkisten im Rufe, sich unablässig voneinander abzuspalten. Ein Innsbrucker Trotzkist wurde einst mit dem bösen Bonmot charakterisiert, er sei "der einzige Trotzkist der Welt, der sich noch nicht gespalten hat."

Bei der Boulevardpresse ist das "Spalten" maßlos beliebt. Mit dem Stehsatz, etwas "spaltet die Nation", versucht der journalistische Hysterieproduzent triviale Meinungs- und Einschätzungsunterschiede zu wichtigen Ereignissen zu stilisieren. So oft, wie Österreich schon "gespaltet" wurde, nimmt es wunder, dass dieses Land noch aussieht wie ein Land und nicht wie ein Säckchen Konfetti. Ein schöner, von Wolfgang Ambros vertonter Spalt-Spruch aus dem Wienerischen: "Hoit, do is a Spoit!". Das bedeutet (Sedlaczek, Wörterbuch des Wienerischen) "Hoppla! Vorsicht!" Pass auf, dass kana einefoit! (win, DER STANDARD, 4.10.2014)